Geistertanz
Der nordamerikanische Geistertanz ist ein Krisenkult. Er gilt als das letzte Aufbäumen der Indianer gegen die Unterwerfung durch die Weißen.
Erster Geistertanz
In den 1860er Jahren fiel Wodziwob, ein Indianer des im heutigen Bundesstaat Nevada beheimateten Stammes der Paviotso, in Trance.
In diesem Zustand wurde ihm mitgeteilt, dass die Toten zurück zur Erde kämen, und diese in ein Paradies für Indianer verwandeln würden.
Die Weißen hingegen würden verschwinden.
Als Gegenleistung müssten die Indianer den Geistertanz zeremonieren.
Dabei müssten sich Männer wie Frauen die Hände geben und sich zu einem Kreis formieren, den es durch seitliche Schritte zu drehen galt.
Die Tänze sollten durch Geistertanzlieder begleitet werden.
Aus dieser Vision entwickelte sich bald schon eine Lehre, die sich Ende der 1860er-Jahre schnell verbreitete. Sie erreichte von Nevada aus Kalifornien und Oregon. Jeder Stamm schuf seine eigenen Elemente und Interpretationen des Tanzes. Die ursprüngliche Prophezeiung wurde mit deren Verbreitung durch andere ergänzt. Beispielsweise prophezeiten einige Stämme nebst der Rückkehr der Toten auch die Rückkehr von Fauna und Flora, von welchen die Indianer abhängig waren.
Manchmal vereinte ein Tanz 5.000 bis 6.000 Indianer unterschiedlicher Stämme. Trotzdem kann nicht von einem panindianischen Kult gesprochen werden, da sich nicht alle indianischen Ethnien dem Geistertanz verschrieben hatten. Beendet wurde die Bewegung hauptsächlich durch den Druck der Weissen, die diese Zeremonie als bedrohend empfanden und die Indianer zwangen, damit aufzuhören. Zum anderen spürten die Indianer trotz intensivem Tanzen keinen Erfolg - bald schon verloren sie das Interesse an diesem Kult.
Zweiter Geistertanz
Rund zwanzig Jahre später feierte der Geistertanz seine Rückkehr. Wieder lag der Ursprung bei den Paviotso. Diesmal war es Wovoka, der einen göttlichen Auftrag erhielt.
Die Prophezeiung ähnelte sehr derjenigen der 1870er-Bewegung: Die Zeit würde kommen, wo sich die Indianer, lebende wie tote, vereinigen würden, um zusammen glücklich zu leben, ohne Tod, Unglück und Elend.
Der 1890er-Geistertanz breitete sich ebenfalls rasch nach Kalifornien und Oregon aus, ging dann aber weiter nach Idaho, Montana, Utah, Wyoming, Colorado, Nord- und Süd-Dakota, bis hin nach Nebraska, Kansas, Oklahoma und Kanada. New Mexico und Arizona berührte er gerade noch. Im Vergleich zum ersten Geistertanz erfasste er diesmal also auch die Stämme der Plains und einige des Südwestens. Wieder entwickelten sich mit der Verbreitung weitere Tänze und Prophezeiungen. Der Geistertanz passte sich den entsprechenden Stammesmythologien an.
Die zweite Geistertanzbewegung dauerte einige Jahre länger als die erste und fand ein abruptes Ende. 1890 kam es zum Eklat. Die in South Dakota lebenden Lakota hatten die Bewegung übernommen. Dies machte die weissen Kommissäre, die für die vor kurzem errichteten Reservationen der Lakota zuständig waren, nervös, obwohl die Bewegung überaus friedlichen Charakters und ohne Hass den Weissen gegenüber war.
Daraufhin ordnete Präsident Benjamin Harrison eine Untersuchung der Situation durch die Armee an und veranlasste die Einschränkung der Essensrationen für unkooperative Indianer. Einige Tausend US-Soldaten wurden in die Reservation gesandt, was wiederum zu Angst auf Seiten der Lakota führte. Einige Tausend flohen in die nahegelegenen Badlands. Unter den Flüchtenden befand sich auch Häuptling Big Foot mit Geistertanzanhängern aus der Cheyenne-River-Reservation, wo die Situation zu eskalieren drohte. Die Armee verfolgte Big Foot und seine Leute und stellte sie. Big Foot ergab sich und die Gruppe wurde in die Pine-Ridge-Reservation überführt. Am 29. Dezember 1890 sollte Big Foots Gruppe in der Nähe des Wounded Knee Creek entwaffnet werden. Dabei fiel ein Schuss, auf welcher Seite ist nach wie vor umstritten. Jedenfalls schossen die US-Soldaten anschließend wahllos auf die wehrlosen Indianer. Insgesamt blieben etwa 300 Indianer und Indianerinnen tot liegen.
Dieses Massaker bedeutete nicht nur den Anfang vom Ende des Geistertanzes, sondern auch das Ende des Traumes einer positiven Zukunft.