Ganzheit
Die Betrachtung eines Themas in seiner Ganzheit (seltener und weniger tiefgreifend auch: Gänze), oder die ganzheitliche Behandlung eines Gegenstands oder einer Beziehung meint eine umfassende, weitsichtige und weit vorausschauende Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte:- erkennbare Ursprünge und Querbeziehungen,
- Eigenschaften und Zuordnungen,
- Rahmenbedingungen, Nutzenabwägungen, Anwendungs-Aspekte sowie
- Neben-, Folge- und Wechselwirkungen des eigenen Verhaltens - und absehbare Reaktionen Anderer im Umgang damit.
Table of contents |
2 Ganzheitlich hinsichtlich der Emotionen 3 Ganzheitliches Denken (Debatte) |
Konrad Lorenz veranschaulicht die Wahrnehmung der Ganzheit einer Sache bevorzugt als Gestaltsehen oder Gestaltwahrnehmung. Damit will er die einbeziehende Wahrnehmung nicht offensichtlicher – assoziativ verbundener – Elemente oder Eigenschaften des Gegenstands ausdrücken, die gleichwohl zu seinem Wesen, seiner Bedeutung und Wirkung beitragen. Die dadurch erscheinende Gesamtgestalt "hinter der Gestalt" sei die "eigentliche", immer mitzusehende, tatsächlich in der (Um-)Welt wirksame und zu behandelnde Gestalt, die alle Wirkungen beinhalte (siehe oben).
Eine ähnliche Wahrnehmungsweise wird in der Kunst durch so genannte Gesamtkunstwerke angesprochen.
Da zum Menschsein außer Körperlichem und Geistigem ganz wesentlich der emotionale Bereich gehört, ist Ganzheit auch hier ein günstiges Lebensprinzip. Wie zum Beispiel Schulz von Thun darlegt, ist das Integrieren der eigenen Gefühlswelt auch in Denk- und Entscheidungsprozesse vorteilhaft und dem Wohlbefinden förderlich. Zwar werden (unangenehme) Gefühle oft als sehr störend empfunden, doch sind sie ein wichtiges Signal für unerfüllte Grundbedürfnisse und ermöglichen einen besseren Umgang mit guten und unguten Situationen.
Andererseits nimmt durch Äußern von Gefühlen und Aufmerksamkeit für körpersprachliche Signale auch die Kommunikation an Qualität zu. Je intensiver eine zwischenmenschliche Beziehung ist, desto mehr gewinnt die Begegnung an Tiefe (meist auch an Freude) und lässt gegenseitiges Verständnis und Begegnungsbereiche zunehmen.
Zwar gilt dies auch für das Berufsleben, doch ist hier die Offenheit, über Emotionen zu sprechen, gegen das Risiko von Verletzungen abzuwägen. Auch Management-Seminare betonen immer wieder, wie sehr ein emotional-ganzheitlicher Umgang miteinander nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Arbeitsfreude und Leistungsfähigkeit vermehrt. Daher erwartet man von Führungskräften neben der Kompetenz vermehrt die so genannte emotionale Intelligenz.
Ganzheitlicher Umgang erfordert eine komplexe, multilinear vernetzte, hoch-assoziative Denkweise. Sie ist weniger als der Hälfte der Menschheit gegeben, darunter den (auch) weiblich funktionierenden Hirnen eher als den nur männlich funktionierenden. Dies hängt mit der geschlechtsspezifisch unterschiedlich starken Vernetzung zwischen den beiden Hirnhälftenn zusammen (siehe Studentin). Es ist davon auszugehen, dass dafür gewisse Intelligenz und Bildung erforderlich, aber nicht hinreichend sind - weil sie diese Fähigkeit noch keineswegs garantieren. Außerdem ist davon auszugehen, dass viele Menschen, die die Forderung nach solchem Denken gegenüber Anderen erheben (meist gegenüber politischen Gegnern), nur Hörensagen aufgreifen und einen Hebel für eigenes Dominanzverhalten brauchen.
Aus der Fähigkeit zu diesem Denken eine weltanschauliche Überlegenheit abzuleiten, wäre wohl einseitig gedacht. Vorgeblich ganzheitliches Denken wähnt sich häufig auf Kriegsfuß mit "monolinearem" Kausaldenken. Dies ist zunächst zweifelhaft: Auch Kausaldenken funktioniert assoziativ und greift auf bisherige Erfahrungen und Erkenntnisse zurück - nur in einer effizienter auf schnelle Resultate ausgerichteten Fokussierung, weshalb Fokusdenken eine treffendere Bezeichnung wäre. Andererseits ist Ganzheitliches Denken in der Regel ebenfalls kausal.
Darüber hinaus wird damit eine gänzlich unangebrachte Gegensätzlichkeit aufgebaut, da beide Denkweisen ihre richtigen und falschen Momente haben. Ganzheitliches Denken gehört in Analyse- und Konzeptionsphasen, während eine "klare Linie" in Synthese-, Entscheidungs- und Umsetzungsphasen gehört. Nur beides zusammen, synergetisch kombiniert, führt zu optimalen Ergebnissen. Ganzheitliche Bedenken erst in Umsetzungsphasen anzumelden (ein häufiges Phänomen), kommt viel zu spät und ist vor allem dann kontraproduktiv, wenn kein oder ein zu spätes Resultat schlimmer wären, als ein falsches. Wo dies nicht eingesehen wird, liegen keine "höheren Erkenntnisse" vor, sondern eher "niedere Instinkte": Dominanz ist da im Fokus.
Ein berechtigter Einwand in diesem Zusammenhang ist, dass auch Entscheider verstehen und akzeptieren müssen, Probleme nicht allein lösen zu können, und die rechtzeitige Einbeziehung vernetzter Denkweisen in konzeptionelle Phasen organisatorisch ermöglichen und fördern müssen.
Wer also, wie es gegenwärtig vor allem im Umfeld von Frauenbewegungen und neuen sozialen Bewegungen Mode ist, "typisch männliches" Kausaldenken als "archaisch" diffamiert und "typisch weibliches", vernetztes Denken als "moderner" betrachtet, der begeht selbst den von ihm belächelten Fehler: Was die Evolution als bisher erfolgreichstes Modell der Arbeitsteilung herausgebildet hat und warum, scheint ihm in seiner Ganzheit nicht genügend klar zu sein...
Siehe auch: Diskussion, Gründlichkeit, Nachhaltigkeit, Information, Klarheit, Kommunikationsquadrat, Überblick; Ganzheitliche Wahrnehmung
Ganzheitlich hinsichtlich der Emotionen
"Nebenbei" ist das Einüben dieser Ganzheitlichkeit für Ehe- und andere Paare ein gutes Mittel, die Beziehung zu stabilisieren, die Liebe wachsen zu lassen und Konflikte fruchtbringend auszutragen.Ganzheitliches Denken (Debatte)
Encounter, Gruppendynamik, Partnerschaft, Themenzentrierte Interaktion, Verstehen