Psychische Funktionen:
Musik hat den Vorteil, direkt, über das Ohr und den Körper, in das Gehirn zu gehen. Dabei kann die Musik Gefühle wie Trauer, Heiterkeit, Hochgefühl oder auch Ruhe auszulösen. Das hat sich auch an einer Studie gezeigt, bei der Autfahrer durch Musik von Richard Wagner am Steuer aggresiv, aber verzögert reagiert haben. Nicht zuletzt macht Filmmusik einen Großteil der Atmosphäre des Filmes aus. Ausserdem kann Musik (vermutlich ähnlich wie Drogen) auch Vorstellungen, Bilder und Phantasien auslösen, und zur Auschüttung von Endorphinen und/oder Adrenalin führen.
Gesellschaftlich-soziale Funktionen:
- Monumentale Funktion: Musik kann als Monument für Herrscher oder historische Ereignisse konzipiert sein. Oft sind diese Werke Auftragsarbeiten. Sie sollen in meist heroischer Form ein ewiges Zeugnis darstellen und den Anlass würdig verkörpern. Monumentale Werke sind aus allen Kulturkreisen bekannt, z.B. indianische Ahnenlieder oder chinesische Lieder zur Kulturrevolution. Viele Osteuropäer und Ostdeutsche assoziieren mit „Wind of Change“ von den Scorpions das Ende des sowjetisch-kommunistischen Diktats Anfang der 90’er Jahre. In der Klassik: Beethovens Siebte war doch auch ein Werk mit monumentalem Auftrag (?). Ansonsten wäre z.B. Wagners Begeisterung für die germanischen Sagen zu nennen. Wichtig sind auch die zahlreichen Nationalhymnen, die beinahe ausnahmslos (zumindest im europäisch-amerikanischen Raum) klassische Kompositionen sind.
- Musik als Tanzbegleitung: Klärt sich von selbst. Zu Musik getanzt wird wahrscheinlich schon länger als gesprochen oder aufrecht gelaufen. Tanz ist meist ein soziales Ereignis. In der Klassik: Zu Beethovens Zeiten war der Tanz längst ein fundamentales gesellschaftliches Ereignis der Bourgeoisie, streng ritualisiert und nach genauen Regelungen ablaufend. Kleidung, Räumlichkeiten, Speisen, Sprache etc. folgten einer detaillierten und unerschütterlichen Norm.
- Rituelle Funktion: Im vorherigen Punkt bereits am Beispiel der Bälle und Tanzveranstaltungen der Klassik beschrieben. Beispiele sind zahlreich. Religiöse Beispiele wären der sonntägliche Kirchengesang, der Muezzin in der islamischen Welt, der Schamanengesang, der Rabbinergesang etc. Fußballchöre sind rituell, Weihnachtslieder, Vereinslieder, Wanderlieder. In der Klassik: Die Rituale der Eliten zu Beethovens Zeit waren oft mit Musik verbunden. Der Besuch einer musikalischen Vorstellung verlief innerhalb strenger gesellschaftlicher Normen und war oft eine Frage des Images und der Reputation (Sehen und gesehen werden). Diese Eliten begeisterten sich oft für die Werke der großen Komponisten als Beweis ihrer kulturell-zivilisatorischen Reife und Größe, ihrer intellektuellen Dominanz und ihrer Ästhetik.
- Funktion als Anlass zu sozialer Begegnung: Klärt sich von selbst. Beispiel wurde im vorherigen Punkt genannt. Weitere Beispiele wären die Love Parade in den 90’ern, Pop-Festivals aller Art wie Live-Aid von Geldof in den 80’ern oder Woodstock. Auch intellektuelle Szenen, z.B. die Autoren – und Künstlerszene im „swinging“ Berlin der 20’er Jahre (Kurt Tucholsky), nutzten gerne musikalische Anlässe zum Austausch und als feierliches Happening.
- Imperative Funktion: Musik kann in Kombination mit Text auch eine imperative Funktion, also eine auffordernde, mobilisierende Funktion haben. Typisch wären in diesem Zusammenhang Marschlieder beim Militär, ideologisch gefärbte Aufforderungen z.B. sozialistische Lieder oder die Marseillaese, oder Kirchenlieder. Mit der 68’er-Bewegung kam auch ein neues Selbstbewusstsein der Jugend auf, das von zahlreichen Musikern artikuliert wurde, z.B. die zahlreichen Friedensappelle von John Lennon („Give Peace A Chance“), die Protestsongs der Punkbewegung („Anarchy In The U.K.“) oder karikative Projekte für die Entwicklungsländer in den 80’ern („Do They Know It’s Christmas“). In der Klassik: Johann Sebastian Bach schrieb eine Unmenge Kirchenlieder. Die Aufforderung zu Frömmigkeit und Gottesglaube war oft Inhalt klassischer Werke.
- Therapeutische Funktion: Musik kann therapeutisch wirken, z.B. beruhigend und entspannend. Dazu gehören Meditationsmusik oder so genannte Chill-Out-Platten. Musik kann aber auch zum ausleben anderer Gemütszustände animieren oder beitragen, es gibt aggressive Musik, romantische Musik, psychedelische Musik, traurige Musik, lustige Musik etc. Musik kann auch in der Frühförderung genutzt werden, außerdem zur Entspannung von Kindern in der Grundschule oder ähnliches. In der Klassik: Auch klassische Musik klingt traurig, fröhlich, euphorisch, niedergeschlagen etc. Beethovens Siebte ist selbst ein hervorragendes Beispiel.
- Kommunikationsfunktion: Musik kann zur Verständigung oder Artikulation beitragen. Musik verkörpert Stimmungen, Stil und Identität und verrät so auch etwas über den Musiker. In Kombination mit Text versucht oft vor allem die Pop-Musik so genannte „Messages“ (Aussagen, Mitteilungen) rüber zu bringen. In der Klassik: Die Idee, Musik wäre eine Form der Kommunikation galt für viele Menschen zu Beethovens Zeit als „unästhetisch“. Sie waren überzeugt das wahrhaft schöne Musik nur ihrer selbst Willen und durch ihre kompositorische Perfektion und Nacktheit schön sei. Trotzdem weisen auch klassische Kompositionen klare Gemütsfärbungen wie Traurigkeit oder Fröhlichkeit auf, sie vermitteln.
- Identitätsfunktion: Musik kann auch Symbol für Identitäten sein. Die Pop-Musik bietet natürlich auch hier unzählige Beispiele. Wer Grunge hört ist verwahrlost, hasst seine Eltern und ist fasziniert von Selbstmord, wer Techno hört will Spaß und Farben und ausflippen, wer Hip Hop hört raucht Hasch, fährt Skate Board und trägt weite Hosen. Andere Beispiele sind regionale Volkslieder, Vereinsbezogene Fußballgesänge oder religiöse Musik. In der Klassik: Musik war zu Beethovens Zeit ein klares Statussymbol, also ein Zeichen der jeweiligen Klasse. Während die Unterschicht eher bodenständigere Musik und Volkslieder hörte und spielte genossen die gesellschaftlichen Eliten die Werke der großen Orchester und ihrer genialen Komponisten.
Künstlerische Funktion:
- Musische Funktion: Das Musik eine Kunst ist, scheint wohl klar. Lohnenswert ist die Unterscheidung in theoretisch-kompositorische und praktisch-interpretierende Virtuosität. Es gibt viele Musiker die geniale Komponisten und Texter sind, aber keine überragende Interpreten. Andrew Lloyd Webber ist vermutlich kein überragender Sänger, Lennon und McCartney waren gute Musiker, aber keineswegs virtuose Gitarristen und der Amerikaner Babyface ist als Songwriter und Produzent in beinahe jedes schwarze Popmusikprojekt der 90’er verwickelt: ohne Sänger und Musiker wäre er jedoch aufgeschmissen. Auf der anderen Seite gibt es zahllose Pianisten, Gitarristen, Sänger usw. die keinen anständigen Song zustande bekommen würden. In der Klassik: Bis zum heutigen Tag ist erstaunlich was für überragende Komponisten und gleichzeitig virtuose Musiker die so genannte klassische Musik hervor gebracht hat. Die Geschichten über das Kleinkind Mozart an Papas Klavier sind bis heute legendär. Manche parallel laufenden Melodien, die zusammen ein harmonisches Ganzes bilden, z.B. gewisse Orgelspiele von Bach, sind bis heute in ihrer Genialität unerreicht und scheinen manchmal die Musikwissenschaftlichen Normen zu hinterfragen. Das ästhetische Korsett dieser Zeit sei dabei zu beachten !
- Alleinige Unterhaltungsfunktion: Musik kann ausschließlich der Unterhaltung dienen. Dies ist die ursprünglichste Funktion der Musik. Die Musik ist live erlebbar oder –wie heutzutage – über ein Medium, wie die CD. Die Musik ist dabei einziges Objekt der Unterhaltung.
- Musik als Beitrag eines umfassenderen Unterhaltungskonzepts: Musik kann aber auch nur Bestandteil eines umfassenderen Konzeptes der Unterhaltung sein. Meist ist die Musik dann Untermalung eines gesellschaftlichen Ereignisses oder atmosphärische Stütze, z.B. Filmmusik oder Musicals. In der Klassik: Das klarste Beispiel für eine Kombination aus Musik und Schauspiel bzw. einer Geschichte ist die Oper. Richard Wagner wäre z.B. zu nennen.
Wirtschaftliche Funktionen:
- Musikindustrie: Nebensächlich.
- Musik als Beruf: In der Klassik: Musiker für die gesellschaftliche Elite zu sein war verbunden mit großem Ansehen und Ruhm, hatte zumeist jedoch auch schwierige Abhängigkeiten von Gönnern zufolge. Das „Geschäft“ mit der Musik brachte natürlich nicht das Vermögen, das Musiker im 20. Jahrhundert dank Tonträger, Großkonzerte, Werbeverträge, Radiotantiemen usw. verdienen. Der klassische Komponist war künstlerisch aufgrund der Ästhetik dieser Zeit und den Erwartungen der Bourgeoisie stark beschränkt und musste Zeit seines Lebens achten nicht von seiner Klientel fallen gelassen zu werden.