Flugabwehrkanone
Luftabwehr bezeichnet verschiedene Methoden, feindliche Militärflugzeuge vom Boden aus zu bekämpfen. Seit im Ersten Weltkrieg erstmals Flugzeuge über den Schlachtfeldern eingesetzt wurden, dienten verschiedene Kanonen und Geschütze dazu, diese Flieger abzuschießen. Ihre Kampfkraft und Genauigkeit wurde über die Jahre immer weiter verbessert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann auch Lenkraketen verwendet. Da beide Arten von Luftabwehr ihre Vorteile haben, werden sie heute wenn möglich in Kombination eingesetzt.
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Der erste bekannte Einsatz von speziellen Waffen gegen Luftfahrzeuge fand nach heutigem Erkenntnisstand 1870 während des Deutsch-Französischen Krieges statt. Nach der Niederlage bei Sedan wurde Paris belagert, und die französischen Truppen außerhalb der Stadt versuchten, mit Hilfe von Ballons Nachschub in die Stadt zu bringen. Krupp modifizierte ein 20-mm-Geschütz so, dass es auf einem Pferdewagen montiert werden konnte, um diese Ballons abzuschießen. Über diese Waffe gibt es nur wenige Informationen.
Andere Länder glaubten damals noch nicht, dass Flugzeugen eine wichtige Rolle bei den Feindseligkeiten zukommen könnte, wurden jedoch bald nach Kriegsbeginn durch die Deutschen eines Besseren belehrt, die mit Hilfe von kleinen Aufklärungs-Flugzeugen erstaunlich genaue Artillerie-Schläge leiteten. Alle Armeen setzten daher bald ihre kleineren Geschütze bis etwa 75 mm gegen Flugzeuge ein, die meist einfach aufgebockt wurden, damit das Rohr in den Himmel zeigte. Die britische Armee entwickelte eine komplett neue Waffe des Kalibers 3 Inch, die unter den genannten wahrscheinlich die effektivste war.
Allgemein erwiesen sich diese Ad-hoc-Lösungen jedoch als größtenteils unwirksam. Ohne Erfahrung in der Bekämpfung von Luftzielen und ohne Möglichkeit, die Lage ihrer Salven genau festzustellen, waren die Artilleristen überfordert, da sie die Höhe des Ziels nur schätzen konnten. Der größte Teil des Abwehrfeuers lag weit unter dem Ziel. Die Ausnahme zu dieser Regel bildeten die Geschütze, die durch Aufklärungs-Ballons geschützt waren. In diesem Fall konnte die Höhe des Ziels sehr genau durch die Länge des Fessel-Kabels, das den Ballon hielt, festgestellt werden. Die Krupp-Geschütze wurden später mit einem optischen Zielsystem ausgerüstet, das ihre Trefferquote nachhaltig verbesserte, andere Armeen setzten diese Techniken jedoch vorerst nicht ein.
Als Flugzeuge auch zu taktischen Schlägen gegen Bodenziele genutzt wurden, erwiesen sich die großen Geschütze als zu schwerfällig, um auf die sich schnell bewegenden Flugzeuge zu zielen. Die Truppen setzten daher bald verschiedene Typen von Maschinengewehren ein, und die Briten führten eine neue Waffe, basierend auf einem 1-Pfünder (20 mm)-Geschütz, mit Munitionsversorgung über einen Gurt, ein. Diese Kurzstrecken-Waffen erwiesen sich als weit tödlicher, u.a. fiel auch der Rote Baron einem solchen Geschütz zum Opfer.
Als der Krieg sich seinem Ende näherte war klar, dass die Fähigkeiten von Flugzeugen ernsthaftere Ansätze, diese abzuschießen, erfordern würden.
Der Erste Weltkrieg hatte gezeigt, dass der Luftraum zu einem wichtigen Teil des Schlachtfelds geworden war. Als die Fähigkeiten der Flugzeuge weiter verbessert wurden, speziell deren Motoren, wurde klar, dass ihre zukünftige Rolle im Kampf eine viel umfassendere sein würde als zuvor.
Bezeichnenderweise zogen einmal mehr nur die Deutschen daraus Schlüsse, was zu tun sei.
In den frühen 1930er Jahren entwickelten sie eine Reihe neuer Flugabwehrgeschütze, u.a. ein 20 mm-Schnellfeuergeschütz für niedrige Höhen, und ein 37 mm-Geschütz für niedrige und mittlere Höhen. Mitte der 30er Jahre galt die 20 mm bereits wieder als zu schwach gegen die zunehmend schnelleren Flugzeuge, aber anstatt ein neues Geschütz zu entwickeln, schaffte es Krupp, vier der existierenden 20 mm-Kanonen auf eine gemeinsame Lafette mit etwa dem gleichen Gewicht zu montieren.
Am Ende des Krieges galt die 20 mm-Kanone längst nicht mehr als tödlich, da die 37 mm-Variante jedoch nur begrenzt verfügbar war und ein neues System auf Basis der 30 mm-MK 103 nie weite Verbreitung erlangte, konnte auf sie nicht verzichtet werden.
Der Bedarf an Luftabwehr für große Höhen sollte ursprünglich durch ein verbessertes 75 mm-Design von Krupp erfüllt werden, aber der Anforderungskatalog wurde später dahingehend abgeändert, dass nun höhere Performance gefordert war. Krupps Ingenieure arbeiteten daher mit Bofors in Schweden zusammen, um ein neues 88 mm-Geschütz zu entwickeln, die Flak 18. Die Flak 18 besaß u.a. ein halbautomatisches Ladesystem und ein teilbares Rohr, das nach Gebrauch einfach ersetzt werden konnte.
Die Acht-Acht sollte später noch das berühmteste Artillerie-Geschütz der Welt werden. Während ihrer ersten Einsätze im Spanischen Bürgerkrieg erwies sich die Kanone sowohl als eines der besten Luftabwehrgeschütze der Welt, als auch besonders wirksam gegen Panzer. In dieser Rolle wurde sie besonders bekannt, und eine Begegnung mit ihr war die größte Sorge alliierter Panzerbesatzungen.
Nach den Dambuster-Angriffen 1943 wurde ein komplett neues System entwickelt, um niedrig anfliegende Flugzeuge mit nur einem Schuss ausschalten zu können. Zunächst setzte man auf eine 50 mm-Kanone, da sich diese jedoch als ungenau erwies wurde sie später durch eine 55 mm-Variante ersetzt. Das System nutzte ein zentrales Kontrollsystem, das sowohl Such- als auch Feuerleitradar enthielt, den Zielpunkt für die Geschütze, nachdem Wind und Ballistik berücksichtigt wurden, errechnete, und entsprechende Steuerkommandos an die hydraulischen Antriebe der Geschütze sendete. Die Besatzung musste nur noch die Geschütze nachladen und die Ziele wählen. Das System war selbst nach heutigem Stand modern, und befand sich am Ende des Krieges in der letzten Entwicklungsphase.
Am Beginn des Krieges hatte England gerade mit der zögerlichen Erneuerung der Luftabwehrsysteme begonnen, u.a. auch mit einer 90 mm-Kanone, die die alten 3-Zoll-Geschütze aus der Zeit des Ersten Weltkriegs ergänzten. Beide wurden mit optischen Zielsystemen ausgerüstet. Wie die Deutschen experimentierte man zunächst auch mit 20 mm-Designs, kam jedoch ebenfalls zu dem Schluss, dass diese Systeme gegen moderne Flugzeuge nur begrenzt brauchbar waren.
Die englische Lösung bestand aus einer 40 mm-Kanone, die ebenfalls auf dem Bofors-Design basierte. Mit ihr konnte man Flugzeuge jeder Größe abschießen, das Geschütz war aber trotzdem leicht genug, um es mobil machen und einfach schwenken zu können. Dieses Geschütz wurde für die Briten so wichtig, dass sie sogar einen Film darüber produzierten (The Gun), damit die Arbeiter an den Fließbändern härter arbeiteten.
Im Praxiseinsatz ergab sich das Problem, dass eine akkurate Entfernungseinschätzung und Verfolgung der neuen Hochgeschwindigkeitsziele fast unmöglich war – auf kurzer Entfernung war der Vorhalt, den man benötigte, so klein, dass er manuell geschätzt werden konnte, und bei sehr großen Entfernungen ist die scheinbare Geschwindigkeit des Ziels so gering, dass ein simpler Rechenschieber ausreichte. Dazwischen bekam man ernsthafte Probleme.
Die Lösung war Automatisierung in Form eines mechanischen Computers, dem Kerrison Director. Der Geschützbediener hielt diesen auf das Ziel ausgerichtet, und der Director berechnete den korrekten Zielpunkt und zeigte ihn mit Hilfe eines auf dem Geschütz montierten Zeigers an. Die Besatzung folgte dann einfach dem Zeiger und lud das Geschütz nach. Der Kerrison Director ebnete den Weg für die spätere Anwendung von Radar - zunächst zur Entfernungsmessung, später auch zur Verfolgung.
Obwohl sie kaum Beachtung finden, müssen die Luftabwehr-Systeme der US Army als recht gut bezeichnet werden. Da die Amerikaner mit der Flugabwehr nicht ihr Land verteidigen mussten, wurden die Geschütze lediglich taktisch zur Begleitung der Bodentruppen eingesetzt. Ein Vierfach-Geschütz des Kalibers 50 wurde dazu häufig auf ein Halbketten-Fahrzeug M16 montiert, das dadurch zum M16 AA (Anti Aircraft) wurde. Ihre noch geringere Wirksamkeit als die deutschen 20 mm-Geschütze machten sie zum Teil durch ihre hohe Verfügbarkeit wett. Die größeren 90 mm-Kanonen erwiesen sich wie die deutsche Acht-Acht als exzellentes Panzerabwehrgeschütz, und wurden noch lange nach dem Krieg in dieser Rolle eingesetzt. Kurz vor Kriegsende wurde noch ein neues 120 mm-Geschütz mit einer beeindruckenden Gipfelhöhe von 48.000 Fuß eingeführt, die ebenfalls bis weit in die 1950er Jahre genutzt wurde.
Analysen hatten ergeben, dass trotz moderner Luftabwehrsysteme auf beiden Seiten etwa 90 % der feindlichen Bomber ihr Ziel erreichten. Während des Krieges war dies schlecht, aber durch die Einführung der Atombombe war es nun bereits inakzeptabel, wenn auch nur ein einziger Bomber zu seinem Ziel gelangte.
Für kurze Zeit wurde auch nach dem Krieg an den Luftabwehrgeschützen verbessert. Besonders die US-Armee richtete ein großes Luftabwehr-Netzwerk um die größeren Städte ein, das aus radargesteuerten 90- und 120 mm-Geschützen bestand. Da Flakgeschütze aber selbst gegen propellergetriebene Bomber wenig erfolgreich waren, verließ man sich zur Flugabwehr bald fast komplett auf Abfangjäger.
Dies änderte sich mit der Einführung der Flugabwehrrakete. Obwohl die Deutschen bereits während des Krieges in dieser Richtung geforscht hatten, hatte man keine einsatzbereiten Exemplare zuwege gebracht, mit Ausnahme der "Jagdfaust"-Raketen, die auf Me-163 'Komet' Maschinen montiert waren, und der an Me-262 befestigten ungelenkten R4M-Raketen. Selbst wenn die vorhandenen bodenbasierten Luftabwehrraketen praktisch verwendbar gewesen wären, hätten sie durch vorhandene britische Gegenmaßnahmen wohl leicht abgelenkt werden können. Nach ein paar weiteren Jahren der Entwicklung reiften diese Systeme jedoch zu richtigen Waffen heran. Die USA ersetzten ihre Flugabwehrgeschütze bald durch die Nike Ajax-Rakete.
Seitdem kann ein langsamer Wechsel von Geschützen zu Raketen auch auf der Kurzstrecke beobachtet werden. Ursprünglich konnten Raketen nur große Flakgeschütze ersetzen, aber ab den 1960er Jahren waren sie dann klein genug, um auch auf der Mittelstrecke ausreichend treffsicher zu sein. Heute werden durch tragbare Raketen der Typen SA-7, SA-14 und FIM-92 Stinger auch die kleinsten Luftabwehrgeschütze überflüssig.
Geschichte
Frühversuche
Erster Weltkrieg
Lediglich in Deutschland wurde die Entwicklung von Flugabwehrgeschützen vorangetrieben. 1909 präsentierte Krupp eine Anzahl von Varianten ihrer 65 mm-, 75 mm- und sogar 105 mm-Geschütze für die Luftabwehr. Bei Beginn des Ersten Weltkriegss war die 75 mm-Kanone das deutsche Standard-Geschütz, das auf einer transportablen Lafette montiert war.Zweiter Weltkrieg
Nach dem Krieg