False-Memory-Syndrom
Die Objektivität dieses Artikels wird bezweifelt. Die Gegenposition findet sich im Artikel Dissoziative Identitätsstörung.Unter dem Begriff False-Memory-Syndrom (aus dem Englischen: Syndrom der falschen Erinnerung) versteht man Erinnerungen an Geschehnisse, die niemals statt gefunden haben. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Erinnerungen an sexuellen Missbrauch in der Kindheit.
Solche falschen Erinnerungen werden dabei in Therapiesitzungen von Therapeuten unbewusst bei erwachsenen Klienten und Kindern induziert, besonders bei Anwendung von Hypnose - speziell der Regressionshypnose - und Psychopharmaka. Auf Grundlage des Recovery-Paradigmas suchen dabei Therapeuten nach Erinnerungen an traumatische Erlebnisse bei Klienten, die diese unterdrückt haben. Die Klienten können dabei nicht zwischen realen und Pseudo-Erinnerungen unterscheiden, das Erinnerte hat für sie tatsächlich statt gefunden. Während das False-Memory-Syndrom in den 1980er Jahren zunächst vornehmlich bei Kindern aufgedeckt wurden, verschob sich später die Aufdeckung solcher auf Erwachsene.
In den zuständigen wissenschaftlichen Fachdisziplinen ist seit den 1990er Jahren eine heftige, teils ideologisch geführte Auseinandersetzung, um das False-Memory-Syndrom entbrannt.
Theorie der unterdrückten Erinnerung
In den 1980er Jahren kam die Theorie auf, dass manche Menschen Erinnerungen an traumatische Erlebnisse für Jahrzehnte derart unterdrücken, dass diese Erinnerungen für sie nicht mehr zugänglich sind. Häufig werde diese Unterdrückung durch eine Aufspaltung der Persönlichkeit des Klienten in viele - zum Teil Hunderte - Persönlichkeiten bewerkstelligt (Dissoziative Identitätsstörung, früher Multiple Persönlichkeitsstörung genannt). Der Theorie zu Folge lösen die unterdrückten Erinnerungen häufig eine posttraumatische Belastungsstörung aus und sind damit Ursache vieler psychischer Probleme. Die Unterdrückung und die dabei häufig auftretende Spaltung in multiple Persönlichkeiten seien ein Überlebensmechanismus, der es ermögliche, die traumatischen Erlebnisse zu überstehen. Es wurde die Theorie aufgestellt, dass die Im Rahmen einer so genannten Aufdeckungstherapie (englisch: recovered memory therapy) diese Erinnerungen wieder erinnerbar gemacht und das Trauma erneut durchlebt werden soll, um den Genesungsprozess bei den Klienten in Gang zu setzen.
Die aufgedeckten Erinnerungen steigern sich im Laufe der Therapie häufig in Intensität und Ausmaß der traumatischen Erlebnisse bis hin zu Erinnerungen an Missbrauch und Folter durch satanistische Gruppen und an Entführung durch Außerirdische. Die Aufdeckung ist zum Teil mit heftigen körperlichen Reaktionen verbunden. In einigen Fällen wurden Klienten in so genannten "abrection rooms" auf Liegen geschnallt. In Aufdeckungstherapien treten nahezu ausschließlich Erinnerungen an sexuellen Missbrauch in der Kindheit, nicht aber an andere traumatische Erlebnisse auf.
Die Unterdrückung von Erinnerungen wird oft mit dem psychoanalytischen von Sigmund Freud entwickelten Konzept der Verdrängung verwechselt, das besagt, dass Menschen versuchen, unangenehme Erlebnisse zu verdrängen. Nach dem Konzept von Freud sind diese Erinnerungen jedoch ständig vorhanden, dringen in gewissen Zeitabständen in das Bewusstsein vor und werden wegen ihres unangenehmen Inhalts wieder verdrängt. In der Theorie der unterdrückten Erinnerungen hingegen sind diese nicht erinnerbar und müssen erst durch spezielle Aufdeckungstechniken wieder erinnerbar gemacht werden.
Die Ausbreitung der Theorie um die unterdrückten Erinnerungen ging im Wesentlichen auf die Tätigkeit einiger weniger Interessengruppen zurück, die diese Theorie verbreiteten, während die Fachwelt dies zu Beginn eher skeptisch-neutral verfolgte und ignorierte.
Dies änderte sich in den 1980er und 1990er Jahren. In einigen westlichen Ländern kam es in Folge von Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern durch aufgedeckte Erinnerungen zu großen Justizskandalen. Ausgelöst wurden diese häufig durch Mitarbeiter von meist parteilich-feministischen Kinderschutzvereinen oder Jugendarbeitern, die darauf geschult wurden, sexuellen Missbrauch bei Kindern aufzudecken.
So unterzogen in den USA derart geschulte Sozialarbeiterinnen die Kinder der McMartin Prescool suggestiven Befragungen und lösten dadurch ein Gerichtsverfahren großen Umfangs aus. Sie stellten bei 369 von etwa 400 Kindern sexuellen Missbrauch durch Betreuer fest. Die Kinder berichteten u.a. von Folterungen und rituellen satanistischen Handlungen, die zum Teil während der Öffnungszeit der Kindertagesstätte stattgefunden haben sollen. Der Fall entwickelte sich zu einem der längsten und teuersten Justizirrtümer der amerikanischen Geschichte. Die Videobänder der Befragungen belegten, wie die Kinder zu den Schilderungen gedrängt wurden. Die Angeklagten wurden frei gesprochen. In der darauf folgenden Zeit entwickelte sich eine Panik um rituellen satanistischen Missbrauch. Das National Center of Child Abuse and Neglect untersuchte in den USA darauf hin etwa 12.000 Fälle von Anschuldigungen wegen rituellen satanistischen Missbrauchs. Kein einziger Verdacht konnte bestätigt werden. Es stellte sich heraus, dass 80 Prozent der Fälle falscher Erinnerungen bei nur 1,4 Prozent der Therapeuten auftraten. Unter den Vertretern der Theorie der unterdrückten Erinnerungen entwickelte sich so die Theorie, dass ein Jahrhunderte altes Netzwerk von Satanisten in Verbindung mit der CIA bestünde, die die Gesellschaft unterwandert hätten, um ihre Verbrechen zu vertuschen.
In Deutschland sorgten die Justizskandale von Worms, Nordhorn, Coesfeld und Flachslanden für öffentliches Aufsehen. In Worms wurden 25 Personen angeklagt, einen Kindersexring gebildet und ihre Kinder sexuell missbraucht zu haben, nachdem eine Mitarbeiterin des Kinderschutzvereins Wildwasser die Kinder einer suggestiven Befragung unterzog. Die Angeklagten wurden frei gesprochen. Der Fall wurde zum größten Justizskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. In Coesfeld wurde ein Erzieher eines Kindergartens wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt, nachdem eine Mitarbeiterin des Kinderschutzvereins Zartbitter Erinnerungen an sexuellen Missbrauch eingeredet hatte. In Nordhorn wurden gegen Lehrer Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 187 Fällen erhoben. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Ähnliche Skandale fanden in Großbritannien, den Niederlanden und Norwegen statt.
In Folge der Skandale um Falschanschuldigungen entwickelte sich ein wissenschaftlicher Diskurs um die Theorie der unterdrückten Erinnerungen. In Versuchen zeigte sich, wie leicht sich falsche Erinnerungen bei Menschen, insbesondere bei solchen die aufgrund psychischer Problem einen Therapeuten aufsuchen, hervorrufen lassen. In Studien zum Beleg der Theorie der unterdrückten Erinnerungen zeigten sich - zum Teil gravierende - wissenschaftliche Mängel.
Ein wesentlicher Bestandteil der Theorie um unterdrückte Erinnerungen bestand in der Annahme, dass das menschliche Gehirn Erinnerungen detailgetreu wie ein Videorecorder aufzeichnet und so wieder von sich geben kann. Bei Klienten von Aufdeckungstherapien wurde beobachtet, dass sich ihre Erinnerungen durch eine hohe Detailgenauigkeit auszeichnen und dass im Verlauf solcher Therapien immer mehr Details zu Tage traten. Gerade wegen dieser Detailgenauigkeit wirkten diese Erinnerungen glaubhaft. Diese Videorecorder-Theorie ist mittlerweile widerlegt. Das menschliche Gehirn speichert Informationen nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern in einer abstrakten Speicherplatz sparenden Kodierung ab. Eine detailgenaue Aufzeichnung von Informationen ist dem menschlichen Gehirn auf Grund eng begrenzter Speicherkapazität nicht möglich. Beim Wiedererinnern können zudem solche abstrakten Informationen mit phantasierten Details ausgeschmückt werden (Konfabulation).
Die Theorie der unterdrückten Erinnerungen steht in Widerspruch zu der Beobachtung, dass Erinnerungen an traumatische Erlebnisse sich immer wieder bemerkbar machen und zurückgedrängt werden und nicht in einen Bereich des Unterbewusstseins abgeschoben werden, wo sie nicht mehr erinnerbar sind. Untersuchungen an Überlebenden von Konzentrationslagern und von Folteropfern bestätigten, dass sie sich ihrer traumatischen Erlebnisse bewusst waren und ihr Problem darin bestand, diese Erinnerungen wieder zu vergessen anstatt sie wieder zu erlangen.
Es ergaben sich Zweifel an der Theorie, dass die Unterdrückung von Erinnerungen eine Überlebenstechnik darstellt. Die Theorie der unterdrückten Erinnerungen steht dem weit verbreiteten Konsens entgegen, dass psychische Probleme gerade dann entstehen können, wenn Traumata nicht aufgearbeitet werden. Die Unterdrückung solcher Erinnerungen verhindert hingegen eine entsprechende Aufarbeitung. So steht die Theorie der unterdrückten Erinnerungen im Widerspruch zu sich selbst.
Im Zuge der wissenschaftlichen Auseinandersetzung um das False-Memory-Syndrom und der unterdrückten Erinnerungen wurden in den USA Therapeuten, die ihren - überwiegend weiblichen - Klienten, falsche Erinnerungen induzierten, zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt. Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse um die Entstehung falscher Erinnerungen wurden viele Straffälle neu aufgerollt und vormals Verurteilte frei gesprochen.
In der wissenschaftlichen und juristischen Auseinandersetzung ist allgemein akzeptiert, dass das Syndrom der falschen Erinnerungen existiert. In der Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in Deutschland mit seiner Entscheidung vom 30. Juli 1999 (1 StR 618/98) strenge Anforderungen für die Verwendung wiedererlangter Erinnerungen in Strafverfahren formuliert. In Folge der Panik um falsche Erinnerungen an rituellen sexuellen Missbrauch in den Niederlanden erließ das niederländische Justizministerium eine Polizeirichtlinie, nach der bei Anschuldigungen von rituellem Missbrauch zuerst die Therapeuten der Klienten einer Untersuchung zu unterziehen sind. Vertreter der Theorie um unterdrückte Erinnerungen räumen mittlerweile ein, dass die Erinnerungen der Klienten nicht der Realität entsprechen müssen und man diese vorsichtig anzweifeln solle. Dennoch werden von Therapeuten weiterhin Aufdeckungstherapien angewandt. In Deutschland ist bereits ein erster Fall einer Klienten bekannt geworden, die ihren Therapeuten auf Schadenersatz verklagt hat.
Falschanschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs
Wissenschaftliche Auseinandersetzung
Aktueller Stand
Siehe auch:
Literatur
Fachartikel
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