Exotismus
Der Fachausdruck Exotismus hat zwei Bedeutungen, je nachdem, ob er in einem soziologischen oder sprachwissenschaftlichen Zusammenhang verwendet wird.
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2 Sprachwissenschaft |
Soziologie
Exotismus bezeichnet eine bestimmte Form des eurozentristischen Blicks auf Fremde, die alleine deren "exotische" Aspekte betrachtet, beziehungsweise sie zu "Edlen Wilden" stilisiert.
Diese mit dem Kolonialismus aufgekommene Betrachtungsweise ist auf den ersten Blick eine Form des Umganges mit den eigenen Entsagungen im Prozess der Zivilisation. Einige Europäer projizierten ihre eigenen Wunschgedanken in die "Exoten" in den für sie neu erschlossenen Welten. Insbesondere sexuelle Entsagungen führen zu einem Bild "triebhafter Eingeborener" mit einer besonderen sexuellen Potenz. Die zunehmende Entfremdung im Zuge der Industrialisierung hat eine besondere romantische Form der "Naturverbundenheit" hervorgebracht, die ebenfalls den "Wilden" zugeschrieben wurde. Bekanter Vertreter solcher Positionen waren Jean-Jacques Rousseau und Karl May.
Mit dem Exotismus geht eine verzerrte Wahrnehmung der Fremden einher, deren Lebensumstände und Unterdrückung infolge des Kolonialismus kaum gesehen werden. Hinzukommt, dass mit dem Bild der "Natürlichkeit" zum Beispiel bei Rousseau eine Begründung der Unterlegenheit der "Wilden" einhergeht. Diese seien zwar der Natur näher aber dafür der Kultur ferner und insofern als Kinder anzusehen. Hierin drückt sich eine Form des Rassismus ohne Rassen aus, der formal sogar mit einer Hochachtung vor den "Wilden" begründet wird.
Bis heute kommt Exotismus in verschiedenen Varianten zum Beispiel in der Werbung, in Filmen oder auch in Kinderbüchern vor. Kritiker werfen auch verkürzten multikulturelllen Ansätzen einen entsprechenden Rassismus vor, wenn sie sich alleine auf das Feiern exotischer Unterschiede begrenzen (im englischen als Politik der Steel-Bands, Sari, Samosas bezeichnet). Auch die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern in "Entwicklungsländern" durch so genannte "Sextouristen" kann als eine Form des Exotismus gesehen werden, zum Beispiel wenn auf die "natürliche Unterwürfigkeit" der Prostituierten angespielt wird.
Literatur
siehe auch: Kulturalismus, Orientalismus
Sprachwissenschaft
Exotismus bezeichnet eine Gruppe von Lehnwörtern, die Dinge und Gewohnheiten bezeichnen, die nur in der Kultur der Gebersprache verbreitet sind. Die Anwendung auch auf Realitäten der eigenen Kultur ist stets nur im übertragenen Sinne zu verstehen. Beispiele:
- pers. schah "Kaiser bzw. König" (der Schah von Bayern ist unmöglich)
- finn. vappu "Fest des 1. Mai, das mit einem kollektiven Besäufnis und allem, was daraus folgt, gefeiert wird"
- Berndeutsch Hornussen "Name einer Mannschaftssportart, die v.a. im westlichen Schweizer Mittelland verbreitet ist"