Eusebius und Florestan
Eusebius und Florestan, das "Schelmenpaar" (Robert Schumann), begleiteten Schumanns schriftstellerische Tätigkeiten als Musikkritiker sein Leben lang. Schumanns Vater August Schumann war Verleger und betrachtete sich selbst als "homme de lettres", so ist es nicht verwunderlich, dass sein Sohn literarisch gebildet und ebenfalls schriftstellerisch begabt war. Der Roman "Flegeljahre", vom Schriftsteller Jean Paul 1804 veröffentlicht, war Schumann bekannt und somit auch das in dem Buch beschriebene, ungleiche Zwillingspaar "Walt und Vult". Die Entsprechung der Charaktere des ruhigen und bodenständigen Walt sowie des sich an keine Konventionen haltenden Vult mit den Charakteren des elegischen, kontemplativen Eusebius sowie seines extrovertierten, stürmischen Bruders Florestan weisen darauf hin, dass die Figuren aus Jean Pauls Roman zum Vorbild standen.Eusebius und Florestan erschienen zum ersten Mal in einer Kritik zu dem von Frédéric Chopin komponierten Klavierwerk über die Arie "Là ci darem la mano" ("Reich mir die Hand, mein Leben") aus der Oper "Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Kritik wurde 1831 in der "Allgemeinen Musikalischen Zeitung" veröffentlicht, (dem Organ, dem Schumann mit seiner "Neuen Zeitschrift für Musik" später Konkurrenz machen wird) und präsentierte sich in novellistischer Form, was zu der damaligen Zeit ein geläufiges Stilmittel war. Schon der Schriftsteller E.T.A. Hoffmann hatte mit seiner literarischen Figur, dem Kapellmeister Johannes Kreisler, novellistische Musikkritiken für die "Allgemeine musikalische Zeitung" abgefasst, der Komponist Claude Debussy tat es Hoffmann und Schumann später mit seinem Monsieur Croche gleich.
Die charakterliche Verschiedenheit von Eusebius und Florestan folgt einer beabsichtigten Dramaturgie: Schumann nutzte sie zur Darstellung unterschiedlicher Sichtweisen auf die von ihm besprochenen Stücke. In einigen Kritiken spiegelt die antithetische Betrachtungsweise allerdings weniger eine unterschiedliche Kunstanschauung als vielmehr das unterschiedliche Temperament der als Sprachrohr dienenden Figuren. Eusebius und Florestan zur Seite gestellt ist häufig Meister Raro, der die Funktion eines objektiven Betrachters einnimmt und Polarisierungen abmildern soll.
Auch dort, wo Eusebius und Florestan nicht in Kritiken erwähnt oder als "Autoren" der solchen ausgewiesen sind, prägen ihre Eigenschaften und teilweise Unartigkeiten viele von Schumanns Texten. Schumann war ein Mensch mit teils wiedersprüchlichen Empfindungen und bei der Gestaltung seiner Kritiken nicht nur formal, sondern auch im Stil sehr vielseitig. Von sanftem Hohn bis scharfem Spott war ihm nichts fremd und seine "Neue Zeitschrift für Musik" ein ideales Feld zum Experimentieren. Gern erwähnt wird in diesem Zusammenhang seine Kritik zu Giacomo Meyerbeers Oper "Der Prophet", ("Le Prophete"), die als die kürzeste Kritik in der Musikgeschichte Eingang gefunden hat, hatte Schumann sie doch nach dem Besuch der Aufführung nicht etwa als Besprechung, sondern mit einem † versehen als Todesanzeige in seine Zeitung gesetzt.
Literatur
Robert Schumann, Schriften über Musik und Musiker, Reclam Verlag 1982