Ethnische Minderheit
Eine Ethnie ist eine Volksgruppe, die sich über eine eigene Sprache, Geschichte, Kultur, eventuell mit eigenen Institutionen, einem bestimmten Siedlungsraum (Territorium) usw. von anderen Ethnien abgrenzt und deren Mitglieder sich ihrer Einheit und Zusammengehörigkeit bewusst sind. Somit sind ethnische Minderheiten Volksgruppen, die auf dem Territorium eines Staates leben, der mehrheitlich von einer anderen Volksgruppe gebildet wird.Eine ethnische oder nationale Minderheit unterscheidet sich durch folgende Kriterien von der dominanten Volksgruppe:
- kulturelle Faktoren (Sprache, Religion, Geschichte, Brauchtum...)
- räumliche Strukturen (Territorium)
- die soziale Identität (Zugehörigkeitsgefühl, Zusammengehörigkeitsgefühl)
- Beziehung zur Bevölkerungsmehrheit (Interaktion, Mobilität, Geschichte der Beziehung)
- Verhalten der Bevölkerungsmehrheit gegenüber der Minderheit (Integration/Exklusion)
Minderheiten können auf verschiedene Weisen entstehen. Die Entstehungsgeschichte einer bestimmten Minderheit hat in der Folge Auswirkungen auf ihre soziale Identität sowie auf das Konfliktpotenzial, das von ihr ausgeht.
1. Invasion: Eine existierende, auf einem bestimmten Territorium vorhandene Bevölkerung wird durch militärische Invasion oder massive Immigration eines anderen Volkes verdrängt respektive dezimiert. Die Invasoren installieren ihre politische, kulturelle, wirtschaftliche und soziale Struktur und die ehemals eingeborene Bevölkerung lebt als Minderheit auf ihrem eigenen Territorium weiter. Klassisches Beispiel: Die Indianervölker auf dem amerikanischen Kontinent.
2. Erzwungene Migration durch Umsiedlung: Völker (oder ihre Angehörigen) werden systematisch in ein Gebiet umgesiedelt, in dem sie in der Folge als Minderheit leben. Je nachdem, ob die Individuen weiterhin Kontakt mit Angehörigen ihres Volkes haben oder nicht, bleibt die kulturelle Identität mehr oder weniger erhalten. Es kann jedoch auch geschehen, dass sich in der Fremde eine neue kulturelle Identität entwickelt. Klassisches Beispiel: Schwarze Bevölkerung in den USA.
3. Erzwungene Migration durch Vertreibung: Soziokulturelle Einheiten müssen ihr angestammtes Gebiet verlassen und siedeln sich in der Folge auf einem anderen Territorium an. Beispiel: Amish und Mennoniten. Ein Spezialfall der Vertreibung ist die so genannte Diaspora, bei der eine bestimmte Bevölkerung von ihrem angestammten Gebiet vertrieben wird und sich in der Folge verstreut über den Erdball niederlässt. Die gemeinsame Kultur und Identität wird bewusst gepflegt und erhalten, so dass die Kultur und der kulturelle Zusammenhalt trotz der Verstreutheit erhalten bleibt. Klassische Beispiele: Juden, Armenier.
4. Freiwillige Migration: Angehörige bestimmter soziokultureller Gruppen verlassen freiwillig ihr angestammtes Gebiet und begeben sich an einen Ort, an dem sich bereits Menschen mit gemeinsamer Sprache, Kultur, Religion etc. befinden. Dabei kann unter Umständen eine neue kulturelle Identität entstehen, die sich von der Ursprünglichen grundsätzlich unterscheidet. Beispiel: Französischsprachige Kanadier (Québec).
5. Staatenbildung: Durch kriegerische oder diplomatische Aktionen werden Teile einer Volksgruppe politisch, wirtschaftlich und kulturell vom Rest ihrer Kultur abgeschnitten. Beispiele: Südtirol, Vojvodina, Kurden.
Es gibt unzählige Versuche, Minderheiten zu kategorisieren und typologisieren. Eine grobe Unterscheidung, die auch im völkerrechtlichen Zusammenhang verwendet wird, ist folgende Aufteilung:
1. Nationale Minderheiten: Sind Minderheiten, die in einem anderen Staat die staatstragende Mehrheit bilden. Beispiele: Dänen in Deutschland, Ungarn in Rumänien.
2. Ethnische Minderheiten: Entsprechen den Kriterien für eine ethnische/nationale Minderheit, haben jedoch kein "eigenes Mutterland". Beispiele: Bretonen, Friesen, Sorben, Roma und Sinti.
3. Sprachliche Minderheiten: Sind keine ethnische oder nationale Minderheit, sprechen jedoch eine andere Muttersprache als die Bevölkerungsmehrheit im Staat. Beispiel: frankophone Bevölkerung der Schweiz, Finnland-Schweden.
Als offizielle nationale Minderheiten in Deutschland sind anerkannt:
Die Minderheiten genießen in Österreich den Schutz, der vorerst im Vertrag von Saint-Germain von 1919 und nach dem zweiten Weltkrieg im Artikel 7 des Österreichischen Staatsvertrag festgehalten ist. Folgende ethnische Minderheiten genießen den Schutz:
Siehe auch: Minderheitssprachen in Österreich
Das politische System der Schweiz basiert nicht wie in einem Nationalstaat auf künstlichen Verwaltungseinheiten, sondern auf natürlich gewachsenen Gemeinschaften. Weil die Schweiz praktisch nur aus Minderheiten besteht, gibt es neben dem ausgeprägten Föderalismus keine offizielle Minderheitenpolitik. "Inoffiziell" existiert eine gewisse Konfliktualität zwischen den Sprachregionen (siehe Röstigraben), diese ist jedoch nicht so akut, dass man von einem Minderheitenkonflikt sprechen könnte, dem mit gesetzgeberischen Massnahmen begegnet werden müsste. Die sprachlichen Minderheiten (Französisch, Italienisch, Rätoromanisch) sind bereits heute über ihre Kantone paritätisch in National- und Ständerat vertreten und im Bundesrat sind sie mit ihrem inoffiziellen Anrecht auf 3 von 7 Sitzen überrepräsentiert.
Entstehung von Minderheiten
Typen von Minderheiten
Minderheiten in Deutschland
Minderheiten in Österreich
Minderheiten in der Schweiz
Verwandte Begriffe
Siehe auch: Benrather Linie, Ausweisung, Einbürgerung, Juden, China, SowjetunionLiteratur
Weblinks