Erzähler
Unter Erzähler oder Erzählerin versteht man im Allgemeinen einen Schriftsteller oder Autor, dessen Werk hauptsächlich aus Romanen, Novellenn und Erzählungen besteht.Viele Kulturen kennen den Erzähler als einen Menschen, der u.a. Sagen und Volksmärchen seiner Gesellschaft auswendig kennt und vorträgt.
Der Erzähler in fiktionalen Texten und Filmen
Bei autobiographischen Texten, beispielsweise dem Buch "Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki, kann man davon ausgehen, dass die Person, um deren Lebenserfahrungen es in dem Text geht und die Person, die sich mit "ich" zu Wort meldet sowie die Person, die den Text geschrieben hat, miteinander identisch sind.
Wenn man sich dagegen mit Texten beschäftigt, die erfundene Personen und eine erfundene Handlung präsentieren, sieht die Sache vollkommen anders aus. Beispielsweise handelt es sich bei dem "Felix Krull"-Roman von Thomas Mann um einen Roman, der aus einer Ich-Perspektive geschrieben ist. Bei der Person, die sich mit "ich" zu Wort meldet, handelt es sich jedoch nicht um Thomas Mann, sondern um eine Person, die von Thomas Mann erdacht worden ist und von ihm den Namen "Felix Krull" bekommen hat.
Bei fiktionalen Texten muss man durchgängig davon ausgehen, dass die Figur, die als Erzähler auftritt, in gleicher Weise vom Autor erfunden wurde wie auch die handelnden Personen: Der Autor erfindet einen Erzähler, der eine Geschichte erzählt. Es handelt sich also um eine vermittelnde Instanz. Der Erzähler kann im Text mehr oder weniger deutlich spürbar sein oder sogar scheinbar ganz hinter seiner Erzählung zurücktreten. Man unterscheidet nach Erzählform und Erzählperspektive. Die Erzählhaltung beschreibt die (wertende) Position, die der Erzähler zu seiner Erzählung einnimmt.
Film-Regisseure verfügen zum Teil über dieselben Möglichkeiten wie Schriftsteller. Beispielweise lässt David Lean in seinem Film Doktor Schiwago einen General namens Jevgraf Schiwago auftreten. Dieser tritt als handelnde Person auf und ist zugleich auch derjenige, der dem Zuschauer die Handlung des Films als Erzähler nahe bringt.
Der "Doktor Schiwago"-Film verwendet eine Technik, die in Filmen häufiger eingesetzt wird: Wenn der General im Dialog mit anderen Personen gezeigt wird, dann sind die anderen Personen mit den Sätzen zu hören, die sie bei den Filmaufnahmen gesprochen haben. Die Stimme des Erzählers jedoch wird überblendet. Er meldet sich ersatzweise "aus dem Off" mit Sätzen wie "Ich antwortete darauf ..."
Die Verfasser von Romanen verfügen über viele Möglichkeiten mit dem Leser zu "spielen". Alfred Döblin hat zum Beispiel in seinem Roman Berlin Alexanderplatz eine Formulierung wie "so wahr ich Alfred Döblin heiße" untergebracht. Sowas kann allerhand Diskussionen auslösen. Wenn der Autor in seinem Roman seinen eigenen Namen anführt, handelt es sich dann um einen Roman, bei dem Autor und Erzähler identisch sind? Man kann darauf so antworten: In dem Roman geht es um die fiktive Geschichte einer fiktiven Person namens Franz Biberkopf. Wenn in dieser fiktiven Geschichte einer auftritt, der sagt, dass er mit Franz Biberkopf gut vertraut ist, dann muss er selber ein Teil der fiktiven Welt sein und kann daher nicht identisch mit Alfred Döblin sein.
Siehe auch: Erzählsituation, Erzähltheorie, Interpretation, Textanalyse