Epigone
Ursprung
Der Ausdruck Epigonen (griech. epigonos Nachgeborener) bezeichnet in der griechischen Mythologie die "Nachkommen" der Sieben gegen Theben. Sie zogen 10 Jahre nach dem fehlgeschlagenen Versuch ihrer Väter gegen Theben, zerstörten es und töteten Eteokles' Sohn und Nachfolger Laodamas.Die Epigonen waren: Aigealeus, Alkmaion, Diomedes, Thersander, Euryalos, Amphilochos, Promachos, Polydoros und Sthenelos
Kulturgeschichte
Davon ausgehend bezeichnet man in der Geistes- und Kulturgeschichte die
Generationen, die auf eine rückblickend als klassisch angesehene Epoche besonderer geistiger und kultureller Blüte folgen. Die abwertende Einstufung einer Epoche als epigonal setzt als Gegensatz die Annahme einer vorangehenden Epoche voraus, der besonders überragende Kulturleistungen von bleibendem Wert zugeschrieben werden. Bekannte Gegenüberstellungen klassischer und epigonaler Epochen sind beispielsweise das klassische Griechenland - das hellenistische Griechenland, die Goldene Latinität - die Silberne Latinität, die Weimarer Klassik - das Biedermeier''.
Deutschland
Epigonen werden vielfach als unbedeutende Nachahmer ohne eigene Ideen angesehen. Diese Geringschätzung der bloßen kunstfertigen Reproduktion früherer Entwürfe geht u.a. zurück auf den in der deutschen Aufbruchphase des Sturm und Drang entstandenen Geniekult. So lässt Johann Wolfgang von Goethe im Faust I den Mephisto sagen (Vers 1977): Weh dir, daß du ein Enkel bist!. Darin drückt sich ein zweifaches Bedauern aus. Die von den Vorgängern angehäuften Kulturschöpfungen sind ihm (Goethe) eine Bürde, weil er sie sich aneignen, sie sichten, ordnen, das Wertlose aussondern muss, um selber Besseres leisten zu können. Andererseits muss er als Spätgeborener fürchten, dass nach den Großtaten der Alten schon alles Wesentliche getan ist und er selbst nichts neues Vortreffliches mehr hervorbringen kann.
Dieses Gefühl des Epigonentums, die beängstigende Vorstellung, den klassischen Schöpfungen der Vorgänger, insbesondere der griechischen Antike, nichts wesentlich Neues mehr hinzufügen zu können, ist ein charakteristisches Merkmal der Weimarer Klassik. Auch der Altphilologe und Philosoph Nietzsche steht noch ganz im Bann dieser Vorstellung, aus der er sich nur durch die Konstruktion eines Neuen Menschen erlösen kann. Dabei ist es eine merkwürdige Erscheinung, dass gerade die Epoche, die sich und ihre Zeit als epigonal empfand und schmerzlich darunter litt, nur Enkel zu sein, Geistesschöpfungen hinterlassen hat, denen die Enkel der Enkel den Rang des Klassischen zuerkannt haben.
Ausland
Außerhalb Deutschlands, insbesondere in Frankreich, war die Geringschätzung des Epigonalen viel weniger ausgeprägt. Im Gegenteil, die gekonnte, vollendete Nachahmung des klassischen Ideals (dort eher der römischen Antike) galt als
hinreichend schwierige und daher im Erfolgsfall anzuerkennende, kulturelle Großleistung für sich. In der französischen Klassik kam es weniger auf den genial-originellen Einfall an, mehr auf die formvollendete
Ausführung und Gestaltung des Sujets. In den anderen romanisierten Ländern Europas verhielt es sich ähnlich.
In England, das nach dem Befund T.S. Eliots keine neuzeitliche Klassik hervorgebracht hat, ist der Begriff des Epigonentums, der den Maßstab des Klassischen voraussetzt, weitgehend bedeutungslos. Auf dieser geistigen Unbefangenheit und der damit einhergehenden historischen Unbekümmertheit beruht möglicherweise die auch heute wieder zu beobachtende besondere Durchschlagskraft des englisch-amerikanischen Kulturschaffens.
Siehe auch