Entstehung des Mondes
Die Entstehung des (Erd)mondes wird seit Jahrhunderten von Wissenschaftlern diskutiert. Seit Mitte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass der Mond nach einem seitlichen Zusammenstoß der Proto-Erde mit einem etwa marsgroßen Körper entstanden ist. Dabei wurde viel Materie in eine Umlaufbahn zurückgeworfen, aus der sich dann der Mond formte (Kollisionstheorie). (Anmerkung: Das Präfix "Proto-" verdeutlicht, dass es sich noch um die Vorläufer während der Entstehung handelt und nicht um die Himmelskörper wie wir sie heute kennen.)Man spricht aus mehreren Gründen auch von der Entstehung des Erde-Mond-Systems. Zum einen gibt es im ganzen Sonnensystem (mit Ausnahme von Pluto und Charon) keinen weiteren Mond, der eine ähnliche Größe im Vergleich zu "seinem" Planeten aufweist. Zum anderen ist auch der Bahndrehimpuls des Mondes viel höher als bei allen anderen Monden, wiederum mit Ausnahme des Charon. Die Entwicklung des Pluto-Charon-Systems hat sich jedoch in einer sehr kühlen Region des Sonnensystems abgespielt und hat sehr wahrscheinlich keine Gemeinsamkeiten mit der Entwicklung des Erde-Mond-Systems.
Entstehung des Sonnensystems
Die Entstehung des Sonnensystems begann mit dem gravitativen Kollaps einer Gaswolke, aus der die Sonne als massives Zentrum hervorging.
Aus dem verbleibenden Material (Gas und Staub) bildeten sich kleine Planetesimale, aus diesen wiederum die Planeten. In der Folge stürzten die meisten Planetesimale entweder auf die Planeten oder wurden durch diese ins äußere Sonnensystem (Kuipergürtel und Oortsche Wolke) oder sogar aus dem Sonnensystem hinaus geschleudert.
Entstehung des Mondes
Soweit bekannt stammen die ersten Überlegungen über die Entstehung des Mondes, die man als Vorläufer der Einfangtheorie betrachten kann, von Rene Descartes. Sie wurden erst 1664 lange nach Descartes Tod publiziert.
Moderne Theorien
Zur Entstehung des Erde-Mond-Systems sind seit dem 19. Jahrhundert mehrere Theorien entwickelt worden.
Dies sind im Wesentlichen
- die Abspaltungstheorie: Von einer heißen, (zäh)flüssigen und schnell rotierenden Proto-Erde schnürte sich ein Tropfen ab und bildete den späteren Mond.
- die Einfangtheorie: Erde und Mond entstanden unabhängig in verschiedenen Regionen des Sonnensystems; bei einer engen Begegnung fing die Proto-Erde den Proto-Mond durch ihre Gravitation ein.
- die Schwesterplanet-Theorie: Erde und Mond entstanden gleichzeitig und nahe beisammen.
- die Öpik-Theorie: Der Vorläufer des Mondes entstand aus der Materie, die von einer heißen Proto-Erde abdampfte.
- die Viele-Monde-Theorie: Mehrere Monde werden gleichzeitig eingefangen und kollidieren nach einiger Zeit. Aus den Bruchstücken bildet sich der heutige Mond.
- die Kollisionstheorie: Die Proto-Erde kollidiert mit einem großen Körper und aus der weggeschleuderten Materie bildet sich der Mond.
- Die Dichte des Mondes ist mit 3,3 g/cm3 deutlich geringer als die der Erde mit 5,5 g/cm3
- Der Mond hat im Vergleich zur Erde ein großes Defizit an leicht flüchtigen Elementen sowie an Eisen.
- Die isotopische Zusammensetzung der Gesteine der Erdekruste und der Mondoberfläche ist nahezu identisch, im Gegensatz zum Rest des Sonnensystems.
- Der Drehimpuls des Erde-Mond-Systems ist ungewöhnlich hoch.
Abspaltungstheorie
Die Abspaltungstheorie wurde von George Darwin, dem Sohn von Charles Darwin, 1878 entwickelt. Demnach rotierte die Erde in ihrer Frühphase so stark, dass sich durch Instabilitäten ein Teil ablöste und den Mond bildete. 1882 fügte der Geologe Osmond Fisher die Feststellung hinzu, dass der Pazifische Ozean die heute noch sichtbare Narbe dieser Abspaltung darstellt.
- Diskussion: Nach neueren Forschungen hat die Erde früher tatsächlich schneller rotiert, d. h. die Tage waren früher kürzer; es gibt aber keine sinnvolle Erklärung für die hohen Rotationsgeschwindigkeiten (Tageslänge von ca. 2,5 h), die für den heutigen Gesamtdrehimpuls des Erde-Mond-Systems nötig gewesen wären. Auch die Vorstellung, dass der Pazifik die Narbe dieser Abspaltung darstellt, ist durch die Plattentektonik widerlegt. Des weiteren gibt keine plausible Erklärung für das Defizit bei leicht flüchtigen Elementen.
Einfangtheorie
Die Einfangtheorie wurde 1909 von dem amerikanischen Astronomen Thomas Jefferson Jackson See vorgeschlagen. Sie besagt, dass sich der Mond als eigenständiges Planetesimal an einem anderen Ort im Sonnensystem gebildet hat und bei einer engen Begegnung mit der Erde eingefangen wurde.
- Diskussion: Die Einfangtheorie kann den hohen Drehimpuls des Systems sowie den Unterschied der Dichte von Erde und Mond sehr elegant erklären. Es ist aber in dieser Theorie absolut unverständlich, dass der Mond sowohl bei leichtflüchtigen Elementen als auch bei Eisen ein Defizit gegenüber der Erde hat. Bei der Ähnlichkeit der isotopischen Zusammensetzung scheitert die Theorie völlig.
Schwesterplanet-Theorie
Die Schwesterplanet-Theorie wurde 1944 von Carl Friedrich von Weizsäcker entwickelt. Wesentliche Vorarbeiten zur Stabilität stammen allerdings bereits von Edward Roche. Demnach entwickelten sich Erde und Mond aus einem gemeinsamen Ursprung und bildeten von Anfang an ein Doppelsystem.
- Diskussion: Wenn sich Erde und Mond eng beieinander entwickelten, ist es absolut unverständlich, warum sich die Dichte sowie der Anteil von leichtflüchtigen Elementen und von Eisen bei Erde und Mond so stark unterscheiden. Für den hohen Anteil des Bahndrehimpulses des Mondes im Vergleich zum Drehimpuls der Erde selbst gibt es keine plausible Erklärung.
Öpik-Theorie
Ernst Öpik schlug 1955 eine Theorie vor, die man zwischen der Abspaltungs- und der Schwesterplanet-Theorie einordnen kann. Die von einem Ringsystem aus eingefangenen Gesteinstrümmern umgebene Proto-Erde heizte sich im Laufe ihrer Entwicklung durch die permanenten Einschläge auf ca. 2000 °C auf und dampfte große Materiemengen wieder ab. Während der Sonnenwind die leichteren Elemente weggeblasen hat, kondensierten die schwereren und bildeten zusammen mit Teilen des Ringsystems den Proto-Mond. Diese Aufheizung erfolgte erst in einer späten Phase der Erdentstehung, so dass durch einen bereits ausgebildeten Erdkern der Anteil von Eisen in den Mantelschichten der Proto-Erde schon deutlich verringert war.
- Diskussion: Diese Theorie ist sehr gut mit den beobachteten geochemischen Eigenschaften des Mondes vereinbar, aber die Impulsprobleme der Schwesterplaneten-Theorie bestehen unverändert.
Die Viele-Monde-Theorie
Im englischen Sprachraum als many-moons theory bezeichnet, erlebte diese Theorie eine kurzzeitige Popularität, nachdem sie 1962 von Thomas Gold vorgeschlagen und in den darauffolgenden Jahren von Gordon MacDonald formalisiert wurde. Grundlegender Gedanke ist, dass es für die Erde einfacher ist, mehrere kleine als einen großen Himmelskörper einzufangen. Wenn nun sechs bis zehn kleine Monde von der Erde eingefangen werden und diese umkreisen, so wandern die Bahnen dieser Monde aufgrund der Gezeitenwirkung nach außen. Im Laufe von einer Milliarde Jahren stoßen die kleinen Monde dann zusammen, und aus den Bruchstücken entsteht der Erdmond.
- Diskussion: Diese Theorie wurde durch die Gesteinsproben der Apollo-Missionen (isotopische Zusammensetzung) widerlegt.
Kollisionstheorie
Die Entwicklung dieser Theorie wird im Folgenden ausführlicher erläutert, da dieses Szenario die heute vorliegenden Fakten am besten beschreibt.
Der erste Vorschlag, den Ursprung des Mondes in einer kosmischen Katastrophe zu sehen, fand sich 1946 in einer Veröffentlichung Reginald Aldworth Dalys in den Proceedings of the American Philosophical Society; sie blieb, unter anderem auch aufgrund der kurz danach verbreiteten Theorien Immanuel Velikowskis, unbeachtet.
In den 1960ern entwickelte der russische Astrophysiker Victor S. Safronov die Theorie, dass die Planeten durch die Zusammenballung einer großen Anzahl kleinerer Planetesimale entstanden sind.
Hartmann und Davis griffen diese Hypothese auf und konnten Safronovs rein analytische Arbeiten durch Computersimulationen verbessern.
Sie untersuchten die Größenverteilung der entstehenden "Zusammenballungen" und erhielten dabei eine vergleichbare Größenverteilung wie im heutigen Asteroidengürtel: Neben einem großen Körper (vergleichbar Ceres mit ca. 1000 km Durchmesser) bildeten sich mehrere Körper mit etwa 1/10 seiner Masse (vergleichbar Pallas, Vesta und Hygeia mit 400 bis 600 km Durchmesser). Die Grundidee der Kollisionstheorie liegt nun darin, dass einer dieser Körper erst in der Endphase der Planetenentstehung fast streifend mit der Proto-Erde kollidierte, wodurch ein Teil der Gesamtmasse in den Orbit geschleudert wurde und den Mond bildete. Hartmann und Davis veröffentlichten diese Theorie 1975. Unabhängig davon kamen Alastair G. W. Cameron und William Ward 1976 durch Überlegungen zum Drehimpuls zum gleichen Ergebnis.
1983 veröffentlichten A. C. Thompson und David J. Stevenson eine Untersuchung über die Bildung von kleineren Körpern aus dem Kollisionsmaterial im Orbit, aber es gab nur wenige, die sich ernsthaft mit der Kollisionstheorie auseinandersetzten. Den Durchbruch brachte eine internationale Konferenz 1984 in Kailua-Kona, Hawaii, über die Ursprünge des Mondes. Die Diskussion der ersten Untersuchungen des von den Apollo-Missionen zur Erde zurückgebrachten Mondgesteins führte bei den meisten Wissenschaftlern zu der Überzeugung, dass die Kollisionstheorie die Fakten deutlich besser beschreibt, als alle anderen Theorien über die Entstehung des Mondes. Insbesondere zeigte sich, dass die isotopische Zusammensetzung der Elemente des Mondgesteins der von irdischem Gestein im Wesentlichen gleicht. So liegen etwa die Sauerstoff-Isotopenverhältnisse von irdischem Gestein, Apollo-Proben und Mondmeteoriten auf einer gemeinsamen Fraktionierungslinie, was zeigt dass der Sauerstoff - als häufigstes Element im Erde-Mond-System - aus einem gemeinsamen durchmischten Reservoir kommen muss. Im Gegensatz dazu liegen etwa die Sauerstoffisotopenverhältnisse von sonstigen Meteoriten je nach Urspung auf anderen Fraktionierungslinien.
In den 1990ern gab es einen Rückschlag für die Theorie, als erste Simulationsrechnungen den Impakt eines Körpers mit der dreifachen Marsmasse erforderten, um genügend Material in den Orbit zu befördern. Dieser Einschlag, zu einem Zeitpunkt als die Proto-Erde etwa die Hälfte ihrer jetzigen Größe erreicht hatte, hätte jedoch deutlich zuviel Drehimpuls übertragen; es wäre deshalb noch ein weiterer schwerer Impakt gegen Ende der Akkretionsphase der Erde notwendig gewesen. 2001 konnten Robin M. Canup und Erik Asphaug jedoch mit verbesserten Modellen zeigen, dass ein einziger Impakt gegen Ende der Akkretionsphase ausreicht, um sowohl Masse als auch Geochemie des Mondes sowie den Drehimpuls des Erde-Mond-Systems zu erklären. Die besten Ergebnisse erhält man nach diesen Simulationen für einen Impaktkörper, der etwas größer als der Mars ist und mit einer Relativgeschwindigkeit von weniger als 4 km/s (14.400 km/h) in einem Stoßwinkel von ca. 45° kollidiert. Durch Vergleich der Niob-Tantal-Verhältnisse des Mondes und der Erde mit dem Niob-Tantal-Verhältnis des übrigen Sonnensystems konnte inzwischen gezeigt werden, dass der Mond mindestens zur Hälfte aus Erdmaterial besteht.
Entstehungsgeschichte der Kollisionstheorie
Zusammenfassung
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheinen alle Fakten für die Kollisionstheorie zu sprechen, aber wegen der noch offenen Detailfragen kann eine andere Entstehungsgeschichte noch nicht ausgeschlossen werden. Genau wie das Impaktszenario Anfang der 1970er praktisch aus dem Nichts entstanden ist, könnten bei der weiteren Erforschung der Entstehung des Sonnensystems im Allgemeinen und des Erde-Mond-Systems im Speziellen Ideen entstehen, die noch nicht vorauszusehen sind.
Anmerkung
Ein Hauptziel der Apollo-Missionen war es, auf dem Mond Hinweise zu dessen Entstehung zu finden. Man suchte klare Beweise für eine der Großen Drei Theorien (Abspaltungstheorie, Einfangtheorie, Schwesterplanet-Theorie), aber die ersten Auswertungen warfen bei allen drei nur neue Widersprüche auf. Stattdessen spricht alles für eine Theorie, die zum Zeitpunkt des Apollo-Programms noch gar nicht existierte.
Literatur
Weblinks
Beurteilung:
Exzellenter Artikel