Emil Jacobsen
Emil Jacobsen (* 8. Juli 1836 in Danzig; † 28. Februar 1911 in Berlin) war ein deutscher Chemiker und Schriftsteller.
Er wurde am 3. Juli 1836 in Danzig geboren. Nach einer Lehre als Apotheker begann er 1858 in Breslau ein Studium der Pharmazeutik und der Chemie, das er 1862-64 in Berlin fortsetzte und mit der Promotion abschloß.
Er gehörte zu den Gründern der Breslauer Burschenschaft Germania, der auch Ernst Schering angehörte. Schering erwarb später die Grüne Apotheke in der Müllerstraße im Wedding und gründete die Chemische Fabrik im Norden Berlins. Jacobsen hat der Schering A.G bis zu seinem Tode im Jahre 1911 als wissenschaftlicher Beirat und als Aufsichtsratsmitglied angehört. Er hatte ein eigenes chemisches Laboratorium, in dem er als Erfinder tätig war, in dem er aber auch mit seinen Mitarbeitern chemische Erzeugnisse für den Handel herstellte.
Geschäftlich erfolgreich war er mit Erfindungen wie dem Anilinfarbstoff Chinolingelb und dem Thiol, einem Heilmittel gegen Rheuma. Er erfand nicht die Erbswurst, wie oft behauptet wurde (mit der Variante: die Pelle der Erbswurst), sondern entwickelte den Klebstoff, mit dem das Etikett auf der Erbswurstpelle befestigt wurde. Es gibt darüber einen Fachaufsatz aus der Feder von Julius Stinde. Diese und weitere patentierte Produkte machten Jacobsen finanziell unabhängig.
Emil Jacobsen war Herausgeber der zwei wichtigsten damaligen chemischen Zeitschriften, des Chemisch-technischen Repertoriums und der Industrieblätter. Das Repertorium erschien vierzig Jahre lang, berichtete über alle chemischen Neuerungen und widmete sich auch der Aufdeckung von Arzneimittelschwindel.
Jacobsen pflegte eine Vielzahl von Liebhabereien, zu denen auch das Dichten oder besser das Reimen gehörte. Er war Realist genug, um die Grenzen seines dichterischen Talents zu kennen. Als er Anfang der achtziger Jahre sein erstes Tegeler Grundstück erwarb, errichtete er dort ein Gartenhäuschen, dem er - sich selbst ironisierend - den Namen Reimsalon gab. Die später dort errichtete Villa nannte er die Reimschmiede. Schon während seiner Breslauer Studienzeit hat Jacobsen das Reimen im größeren Stile betrieben und aus Lust am Versemachen den trockenen chemischen Lehrstoff in leicht faßliche Knüttelverse umgeschmiedet.
Jacobsen war mit vielen Schriftstellern befreundet, so mit Julius Stinde, Heinrich Seidel, Johannes Trojan, Ludwig Pietsch, Julius Stettenheim und anderen. Er nahm lebhaften Anteil an den Entwicklungen in der Literatur und gründete den Allgemeinen Deutschen Reimverein, in dem unter der Maske des Ernstes die komischsten Dinge getrieben wurden, in dem besonders aber Carl Bleibtreus so genannte Revolution der Literatur und andere exaltierte Zeiterscheinungen aufs Korn genommen wurden. Unter dem Pseudonym Hunod Müller von der Havel gab Jacobsen die Schriften des Reimvereins, den Äolsharfenkalender und zwei Bände des Äolsharfenalmanachs heraus.
Er interessierte sich auch für Okkultismus und Spiritismus und gehörte seit 1899 der Philosophischen Gesellschaft in Berlin an. Seine umfangreiche Sammlung von Sprichwörterliteratur hat er der Berliner Stadtbibliothek vermacht. Die Sammlung inclusive Katalog ist im 2. Weltkrieg verlorengegangen.
Die Villa, die er sich nach Plänen des Architekten Bruno Schmitz in der Tegeler Gabrielenstraße errichten ließ, wurde 1975 abgerissen. 1911 starb er im Alter von 75 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem St.-Johanni-Kirchhof II an der Seestraße im Berliner Wedding.
Heinrich Seidel hat Jacobsen als Sonderling und Tegeler Laubenkolonisten unter dem Namen Dr. Havelmüller in seinen Geschichten um Leberecht Hühnchen beschrieben. Eine nuancenreichere Charakterisierung Jacobsens liefert sein ehemaliger Assistent Wilhelm Momber in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 45 (1928) Seite 96-102. Von Heinrich Seidels Sohn, Heinrich Wolfgang Seidel, gibt es auch eine ausführliche Beschreibung der Persönlichkeit Jacobsens (in seinen Erinnerungen an Heinrich Seidel, Stuttgart und Berlin, Cotta, 2. Aufl. 1912 Seite 113-120).
Äolsharfenalmanach 1896, Vorderdeckel |
Emil Jacobsen als Hunold Müller von der Havel Frontispiz im Äolsharfenkalender 1886 |
- Das Lied von der Photographie in sechs Aufnahmen von einem Farbigen [d.i. Emil Jacobsen]. Vorgetragen am 2. Stiftungsfeste des Photogr. Vereins zu Breslau an 24. November 1865. 2. Aufl. Nebst e. Anhang: Photographische Lieder. Breslau: Maruschke & Berendt 1866. 19 S.
- Kosmisch-Komisches. Naturkundig gereimt und geleimt für Naturforscher und Solche, die es werden wollen vom Verfasser des Reactionair in der Westentasche. Illustirt von Wilhelm Scholz. Berlin: A. Hofmann 1868. VIII, 72 Seiten.
- Liederbuch für fröhliche Fälscher nebst etlichen weisen Sprüchen, Regeln und Glossen. Herausgegeben vom Vorstand des Allgemeinen Vereins zur Verfälschung von Lebensmitteln, Waaren etc. Berlin: Julius Springer 1878.
- Allerneuestes Traumbuch für Hausofficianten, auch solche, die es waren oder werden wollen. . . . nach den altbewährtesten Überlieferungen . . . hrsg. von Hunold Müller von der Havel [d.i. Emil Jacobsen]. Mit Beiträgen der berühmtesten Traum- und Zeichendeuter: Julius Bauer, Axel Delmar, Julius Freund, Emil Jacobsen, Richard Schmidt-Cabanis, Julius Stettenheim, Julius Stinde, Johannes Trojan. Berlin: Freund & Jeckel 1898. 64 S.
- Moderne Kunst und Überkunst in unmodernem Lichte., Havelmüller [d.i.Emil Jacobsen]. Berlin: Mayer & Müller 1908. 38 S.
- Lyra philosophica. Weltanschauungen. - Schein und Sein. - Vorbeigeratene Welträtsel, Jacobsen, Emil. Berlin: Mayer & Müller 1901. 76 S.
Bronzeplatte auf Jacobsens Grabmal |