Einzelnes
Das Einzelne bezeichnet eine konkrete, quantitaiv und qualitativ bestimmte, raumzeitlich begrenzte individuelle Gegebenheit (z.B. Ding, Prozess, Eigenschaft, Relation u.a.) als Einheit von notwendigen und zufälligen, wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften.
Das Einzelne ist ein einzelner Gegenstand, eine einzelne Erscheinung, ein Prozess, ein Ereignis, so wie es in der Natur und Gesellschaft vorkommt. Das Einzelne wird in der philosophischen Literatur oft als das Individuelle bezeichnet. Einzeln oder individuell wird auch ein Begriff von einem realen einzelnen Faktum oder einem Ereignis, der Gedanke von diesem Faktum, genannt.
Einzelnes ist in der Natur z. B. ein bestimmter Planet, eine bestimmte Pflanze oder ein bestimmtes Tier. Einzelnes ist in der Geschichte der Gesellschaft ein bestimmtes Ereignis, z.B. eine Wahl eines Präsidenten, eine Umgliederung des Staatsgebiets oder die Abstimmung über eine neue Verfassung. Einzelnes kann auch ein bestimmter Mensch sein. Unter Einzelnem wird manchmal auch eine Gruppe von Gegenständen verstanden, die zu einer größeren, allgemeinen Gruppe gehört.
Das Allgemeine und sein Verhältnis zum Einzelnen wurde in verschiedenen philosophischen Systemen verschiedenartig gedeutet. Metaphysisch bestimmte Richtungen trennen gewöhnlich das Einzelne vom Allgemeinen und stellen beide einander gegenüber. Im Mittelalter behaupteten die Nominalisten, daß das Allgemeine keinerlei Existenz habe und nur eine Name, ein Wort sei; real existieren nur einzelne Dinge mit ihren Eigenschaften und Beziehungen. Die Realisten hatten eine entgegengesetzte Auffassung und schrieben nur den Allgemeinbegriffen als irgendwelchen Wesenheiten der Dinge eine reale Existenz zu, die den einzelnen Gegenständen vorausgehe und unabhängig von ihnen existiere. Diese Auseinandersetzung setzte sich fort. So schrieb beispielsweise der englische Philosoph John Locke,
"daß das Allgemeine und das Universale nicht zur realen Existenz der Dinge gehören. Sie sind vielmehr nur Erfindungen und Schöpfungen des Verstandes, die dieser für seinen eigenen Gebrauch gebildet hat, und betreffen nur Zeichen, seien es Wörter oder Ideen"(in: J. Locke, Über den menschlichen Verstand). Hegel vermutete umgekehrt, daß das Allgemeine dem Einzelnen vorausgehe und es hervorbringe:"...das Allgemeine ist das mit sich Identische ausdrücklich in der Bedeutung, daß in ihm zugleich das Besondere und Einzelne enthalten sei."(in: Hegel, Wissenschaft der Logik).
Das Einzelne existiert nicht anders als in dem Zusammenhang, der zum Allgemeinen führt, d.h. außerhalb und unabhängig vom objektiven Zusammenhang gibt es kein Einzelnes. Das Allgemeine aber existiert nur im Einzelnen und durch das Einzelne. In der Entwicklung kann sich Einzelnes in Allgemeines verwandeln. Eben weil das Einzelne im Zusammenhang existiert, der zum Allgemeinen führt, wird im Besonderen das Einzelne nach bestimmten allgemeinen Seiten hin zusammengefasst. Dabei ist das Besondere das Allgemeinste, das einem anderen Allgemeinen untergeordnet ist. Die Erkenntnis des Besonderen setzte Vergleiche zwischen verschiedenen einzelnen Objekten voraus. Dabei ergeben sich objektiv-reale Gemeinsamkeiten verschiedenen Grades.
Dieser Allgemeinheitsgrad von Beziehungen des Einzelnen ist größer oder kleiner, wenn mehr oder weniger einzelnen, aber qualitativ verschiedenen Objekten die gemeinsamen Beziehungen zukommen. In der Welt der Organismen treten z.B. Mutationen nur an einzelnen Individuen auf. Erweisen sie sich jedoch vorteilhaft in der Umwelt, so werden sie auf dem Wege der Anpassung und Auslese allmählich zu Eigenschaften ganzer Arten und Gattungen von Lebewesen.
Die Kategorie des Einzelnen steht in Beziehung zur Kategorie des Zufalls und der Erscheinung. Die einzelne, konkrete Erscheinung ist im Hinblick auf das Allgemeine, die Gesetzmäßigkeit, zufällig.
Eine Nichtbeachtung der Dialektik von Einzelnem und Allgemeinem führt zur subjektiv-idealistischen, vor allem positivistischen Einstellung der Beziehungten zwischen Allgemeinem, Einzelnem und Besonderem. Der subjektive Idealismus und Empirismus lassen primär das Einzelne, das den Menschen in der Sinnesempfindung gegeben ist (also z.B. als Erfahrung), als existierend gelten. In seiner speziellen Ausgestaltung als Positivismus wird das Allgemeine entweder völlig auf das Einzelne reduziert, oder es wird auf den Gebrauch bestimmter Worte für eine Vielzahl einzelner Individuen eingeschränkt.
Der Positivismus, der nur das Konkrete, Einzelne, tatsächlich Existierende gelten läßt, kann schwer erklären, wie es zur Bildung allgemeiner Begriffe, Gesetzesaussagen u.a. kommt und weshalb es auf der Grundlage allgemeiner Begriffe, Aussagen, Theorien möglich ist, wissenschaftliche Voraussagen zu erstellen, die sich in der praktischen Tätigkeit bewähren sollen. Wenn die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, die Allgemeinbegriffe u.a. nur bloße begriffliche Zusammenfassungen der einzelnen Kenntnisse über einzelne Dinge, Prozesse u.a. wären, so gäbe es keinen logischen Schluss von Bekanntem auf noch nicht Bekanntes.
Ist das Allgemeine nur ein Wort, das zur Bezeichnung einer Vielzahl physikalischer u.a. Objekte verwendet wird, so muß wenigstens dieses Wort allgemein sein, da es ja immer wieder vorkommt und die einzelnen vorkommenden Wörter dann Exemplifizierungen dieses "allgemeinen" Wortes wären. Die bewährte Erkenntnis der Rolle des Einzelnen und des dialektischen Wechselverhältnisses zwischen Einzelnem und Allgemeinem hat nicht nur erkenntnistheoretische und allgemeinwissenschaftliche, sondern auch auch große praktische und gesellschaftspolitische Bedeutung:
Das Einzelne darf weder vernachlässigt, unterschätzt oder gar in der Bedeutung ignoriert werden, um nicht auf dogmatische Wege abzugleiten. Diese Entwicklung kann zu Praktizismus, Subjektivismus, Prinzipienlosigkeit und Versagen bei der Einschätzung von Gesamtzusammenhängen und allgemeinen Entwicklungslinien führen. Zur Beschreibung des Einzelnen
Zur Auffassung des Verhältnisses Allgemeines - Einzelnes in philosophischen Systemen
Zum Verhältnis des Einzelnen zum Allgemeinen und Besonderen
Das Einzelne ist begrifflich nicht völlig erfaßbar, sondern nur durch einen Einzelnamen ausdrückbar, der durch Aufzeigen direkt oder indirekt mit dem, was er bezeichnet, konfrontiert werden kann. Das Einzelne steht im dialektischen Wechselverhältnis zum Besonderen und Allgemeinen. Besonderes ist Einzelnes in bezug auf ein Allgemeines und Allgemeines in bezug auf ein anderes Einzelnes. Der Zusammenhang zwischen dem Einzelnen und dem Allgemeinen wird somit durch das Besondere vermittelt. Die wissenschaftliche Erkenntnis muß über die Beschreibung einzelner Objekte und Prozesse hinaus zu ihrer Erklärung vordringen, indem die objektiv-realen, allgemeinen und wesentlichen Beziehungen des Einzelnen zu anderen Objekten und Prozessen, eben die Gesetzmäßigkeiten, aufgedeckt werden. Zur Existenzbedingung des Einzelnen im objektiven Zusammenhang
Zur den Eigenschaften des Einzelnen mit der Möglichkeit zum Allgemeinen
Zur Trennung des Einzelnen vom Allgemeinen im Neukantianismus
Im Neukantianismus (z.B. bei Wilhelm Windelband, Heinrich Rickert u.a.) wird behauptet, es gebe zwei grundsätzliche Typen von Wissenschaften, und zwar die nomothetischen Wissenschaften (vor allem die Naturwissenschaften), die es mit Gesetzen zu tun haben, und die das Allgemeine erfassen sollen, und iodiographische Wisssenschaften (Geschichte u.a.), die das Einzelne, Individuelle beschreiben bzw. deuten sollen. Diese Unterscheidung ist in der materialistischen Dialektik nicht haltbar, weil die Dialektik des Allgemeinen, Besonderen und Einzelnen für Natur und Gesellschaft gleichermaßen und damit auch für die sie erforschenden Wissenschaften gilt.Zur Auffassung im Positivismus mit der Reduktion des Allgemeinen
Zu den Folgen der Unterschätzung des Einzelnen