Dritte Welt
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2 Aneignung 3 Ende der Dritten Welt 4 Abschied von einem Begriff |
Der Begriff Dritte Welt ist eine Wortschöpfung französischen Ursprungs (franz. Tiers Monde) und geht vermutlich auf das Jahr 1949 zurück. Als Frantz Fanon in seiner 1961 veröffentlichen Schrift „Die Verdammten dieser Erde“ die Dritte Welt mit der kolonialisierten, unterentwickelten Welt gleich setzt und den Begriff in den internationalen Sprachgebrauch einführt, ist er zumindest im französischen Sprachraum bereits gebräuchlich.
Mit dem sich ausbreitenden Ost-West-Gegensatzes nach Ende des Zweiten Weltkrieges benannten sich 1955 die afro-asiatischen Länder der Bandung-Konferenz mit Dritter Welt, um deutlich zu machen, dass sie gewillt waren – neben dem Westblock als der Ersten Welt und dem Ostblock als der Zweiten Welt –, einen „dritten Weg“ der Blockfreiheit zu beschreiten. Die Länder Lateinamerikas, die seit 1947 im Rahmen des Rio-Paktes an den Westen gebunden waren, schlossen sich dieser Gruppe der blockfreien Staaten nicht an.
Das enge blockpolitische Verständnis von Dritter Welt weichte schon Anfang der 1960er Jahre auf, weil der Begriff Blockfreiheit von verschiedenen Ländern nahezu beliebig interpretiert wurde. Außerdem trat die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu den Militärblöcken bzw. Großmächten aufgrund der wachsenden (wirtschaftlichen und sozialen) Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in den Hintergrund.
Seit der ersten UNCTAD-Konferenz im Jahre 1964 schließt der Begriff Dritte Welt die Länder der Gruppe der 77 ein, zu denen sich dann auch die Länder der Dekolonialisierung gesellten. Die Gruppe der 77 tritt als eine Art Gewerkschaft der Dritten Welt auf, stellt aber von Anfang an eine höchst divergente Gruppe dar, angefangen von der Größe und den wirtschaftlichen Ressourcen der Länder, über die verschiedenen politischen Regime, bis hin zu den Entwicklungsstilen. Trotz aller Unterschiede versuchte man gemeinsam gegenüber den Industrieländern aufzutreten und mit der Forderung nach einer Neuen Weltwirschaftsordnung politischen Einfluss auszuüben.
1973/74 gelang es dem Kartell der OPEC-Länder mit seiner Preispolitik eine Führungsrolle der Entwicklungsländer im Streben nach einer Umverteilung der Ressourcen im Weltmaßstab zu gewinnen. Doch dies führte letztendlich zu Differenzierungen und Gruppenbildungen der erdölprozierenden und der energieabhängigen Länder.
Seit 1978 spricht man von einem „Ende der Dritten Welt“. Gründe dafür sind in den Unterschieden bei den Entwicklungsvoraussetzungen und -erfolgen der Dritte-Welt-Länder (auch historischer und kultureller Provenienz) zu suchen, des weiteren in den heterogenen politischen und wirtschaftlichen Systemen und Interessensdivergenzen.
Von einer Dritten Welt zu sprechen machte so lange Sinn, wie das gemeinsame Interesse nach nationaler Unabhängigkeit der Kolonien bestand. Dabei fand der Begriff vor allem Verwendung in der politischen Propaganda und in den Theorien über Entwicklung und Unterentwicklung.
Eine Dritte Welt gibt es nicht, hat es nie gegeben. Sie existiert(e) – als Begriff – eine Zeit lang in den Köpfen der Menschen.
Siehe auch: Bandung-Konferenz, Entwicklung, UNCTAD, Unabhängigkeit, Kolonie, Entwicklungsland, Gruppe der 77, Ostblock, Industrieland, OPEC, Blockfreiheit, Fairer Handel, Neue Weltordnung, Vierte Welt
Wort-Schöpfung
Aneignung
Ende der Dritten Welt
Abschied von einem Begriff