Diglossie
Die Diglossie (griech. 'Zweisprachigkeit') ist eine besondere Form der Mehrsprachigkeit: Ein Sprecher verfügt über zwei oder mehr Sprachen, verwendet aber die eine oder die andere Sprache nur in einer bestimmten Situation, z.B. die eine Sprache im Familienkreis, die andere auf der Arbeit. Es ergibt sich eine funktionale Spezialisierung des Sprachvermögens.Diglossie ist typisch für Dialektsprecher: Der Dialekt wird häufig ausschließlich mündlich verwendet und zwar lokal und funktional begrenzt (vor allem in informellen Kontexten). Für formelle Kommunikationssituationen außerhalb der Familie und des (lokalen) Freundeskreises wird eine Standardsprache verwendet oder eine Varietät der Standardsprache, die dieser sehr nahe kommt, aber regional gefärbt ist (Regionalsprache). Da z.B. in Deutschland viele Menschen nicht Dialektsprecher sind, wird es im Gegensatz zur Schweiz und weiten Teilen von Österreich oft nicht als echte diglossische Gesellschaft angesehen.
Der Terminus wurde für die damalige Sprachsituation in Griechenland von Jean Psichari 1885 (franz. diglossie) geprägt; William Marçais bezog den Terminus 1930 auf die arabischsprachigen Länder. Charles Ferguson schließlich stellte 1959 (engl. diglossia) neben den griechischen und arabischen Sprachraum auch den schweizerdeutschen und haitianischen. Joshua Fishman erweiterte das Konzept 1967 (extended diglossia): seines Erachtens sollten auch diglossische Situationen, in denen die Sprachen unverwandt sind (z.B. Hindi und Tamil in Tamil Nadu, Indien), als echte Diglossie gelten. In dieser Frage herrscht unter (Sozio-) Linguisten Uneinigkeit.