Das Urteil
Die Erzählung Das Urteil, die Franz Kafka im September 1912 im Laufe einer einzigen Nacht niederschrieb, stellt den Vater-Sohn-Konflikt im Zusammenhang mit der bevorstehenden Heirat des Sohnes dar.Die äußere Unabhängigkeit des "Helden" Georg Bendemann - er hat das darniederliegende Geschäft des Vaters zu neuer Blüte gebracht - täuscht hier, wie sich bald herausstellt, über dessen seelische Abhängigkeit vom Vater hinweg. Im Grunde sucht Georg, ohne sich dessen bewusst zu werden, zu den Fragen, die ihn zutiefst bedrängen (Heirat und Freundschaft), das väterliche Urteil: Mit einem Brief an den im Elend lebenden Freund in der Tasche, dem er gerade seine Verlobung mitgeteilt hatte, geht Georg Bendemann durch einen kleinen Gang in das dunkle Hinterzimmer seines gebrechlichen alten Vaters. Ein anfänglich ruhiges Gespräch zwischen Vater und Sohn wird allmählich heftig. Der Vater, den Georg zur Ruhe gebettet hatte, erhebt sich plötzlich, wirft dem Sohn seine Verschuldungen vor und verurteilt ihn zum "Tode des Ertrinkens". Georg, der das väterliche Urteil sofort akzeptiert, eilt aus dem Hause, schwingt sich über ein Geländer und lässt sich in den Fluss hinabgleiten.
Die Erzählung steht in unmittelbarem biographischen Zusammenhang mit Kafka selbst. Sie lässt sich sowohl auf den eigenen Vater-Sohn-Konflikt Kafkas, als auch auf einen ähnlichen Fall im Freundeskreis Kafkas zurückführen.
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