Darfur
Darfur ist eine Region im Westen des Sudan. Es besteht aus den sudanesischen Bundesstaaten Nord-Darfur (Hauptstadt Al-Faschir) und Süd-Darfur (Hauptstadt Niyala). Sie grenzt an die Zentralafrikanische Republik und den Tschad. Darfur hat eine Fläche von 509.075 km² mit einer Bevölkerung von etwa 3,09 Millionen Menschen. Es ist weitgehend eine aride Hochebene mit dem Marrah-Gebirge (Djebel Marra) im Zentrum, einer Bergkette vulkanischen Ursprungs mit Bergen bis 3088 m Höhe.
Durch den mittleren Teil Darfurs zieht sich von Nordosten nach Südwesten eine Reihe von vulkanischen Gebirgsmassen mit erloschenen Kratern (Dschebel Medob, bis 1100 m, Dschebel Marrah, bis 1830 m hoch, mit zahlreichen anderen Spitzen, dazwischen Dschebel Tagabo und Wanda). Hier entspringen alle Gewässer, die im Norden und Nordosten den Gebirgen entströmen. Sie vereinigen sich zum Wadi el Melk, der bei Debbeh in den Nil mündet. Im Osten nimmt Wadi el Koh alles Wasser auf und verliert sich später in der weiten Ebene im Süden; im Westen führen Wadi Barreh oder Turah und Wadi Azum in das Wadi Cadja und zum Bahr el Salamat, im Süden zieht Wadi Gendy zum Bahr el Arab. In der Regenzeit bildet der südliche Teil des Landes einen großen See, in der Trockenzeit ist der Boden von Spalten zerrissen. Der östliche Teil (Gize) ist wie der westliche sandig.
Der Norden besteht aus Trockensavanne, der Süden ist während der Regenzeit weitgehend überschwemmt. Norden und Süden sind kaum besiedelt, der Nordosten ist fast menschenleer.
Die Klimastation Al-Faschir in der Mitte Darfurs weist bei ganzjährig hohen Temperaturen von mehr 20 °C nur in den Monaten Juli und August höhere Niederschläge auf, so dass nur diese beiden Monate humid sind, während die restlichen zehn Monate arid sind. Die Jahresniederschlagssumme beträgt 305 mm; damit befindet sich dieser Bereich Darfurs nahe der agronomischen Risikogrenze. Zusätzlich wird die Situation noch durch die große Variabilität der Niederschläge verschärft, so dass das Dürrerisiko recht groß ist. Da in den letzten Jahrzehnten durch den steigenden Bevölkerungsdruck und nach einigen regenreicheren Jahren die Anbaugrenze für Hirse nach Norden verschoben wurde, kam es in darauffolgenden Dürrejahren zu katastrophalen Hungersnöten. Infolge der Entfernung der bodennahen natürlichen Vegetation und der Umwandlung in Ackerland wurde durch Deflation ein Teil des fruchtbaren Bodens weggeweht; das Ergebnis ist eine Ausdehnung der Wüsten- und Halbwüstengebiete (Desertifikation).
Darfurs Wirtschaft basiert in erster Linie auf Subsistenz-Landwirtschaft (Regenfeldbau) mit Getreide, Obst und Tabakanbau und Viehwirtschaft im trockeneren Norden. Außerdem wird Sammelwirtschaft betrieben (Anzapfen von Gummiakazien).
Früher war es ein Zentrum des Sklavenhandels, indem es eine Route darstellte, über die afrikanische Sklaven in die arabische Welt verschleppt wurden. Die größten ethnischen Gruppen sind die stark arabisierten Fur (nach denen die Region benannt ist) und im Süden Sudannegerstämme, beide ethnisch afrikanische Völker. Die wichtigsten Städte sind Al-Faschir und Geneina.
An Metallen (Gold, Kupfer, Antimon, Blei, Eisen) scheint das Land reich zu sein.
Die Ureinwohner von Darfur, die Dadscho, wurden durch den Stamm der For später zurückgedrängt.
Um 900 bis 1200 entstanden christliche Königreiche in der Region, diese wurden aber im 13. Jahrhundert durch muslimische Invasoren zerstört, was zu einer Islamisierung der Einwohner von Darfur führte. Für mehrere hundert Jahre wurde das Land durch das Reich von Kanem regiert, bis es die Herrschaft schließlich im 17. Jahrhundert abschüttelte. Die Macht ging auf ein lokales Herrscherhaus über, das Keira-Geschlecht, welches Darfur als unabhängiges Sultanat ab 1640 regierte. Der Islam wurde erst unter Soliman Solon (1596–1637) eingeführt.
Unter dem Vorwand, dass entflohene Mamelucken in Kordofan Zuflucht fanden, sandte Mehemed Ali, Pascha von Ägypten, 1821 seinen Schwiegersohn Mohammed Bei El Defterdar gegen D., das sich ihm nach einer mörderischen Schlacht unterwarf. Ein Versuch von Abu Madian, einem jüngeren Bruder des Sultans Mohammed Fahdel, der von diesem in einer Art Gefangenschaft gehalten worden war, mit Waffengewalt auf den Thron von D. zu setzen (1833), scheiterte durch eine Meuterei der rumelischen Hilfstruppen, und D. wurde aufs strengste gegen Ägypten abgesperrt. Mit Ägypten blieb D. fortwährend auf gespanntem Fuß, und die immer mehr zunehmende Macht dieses Landes, seine Ausdehnung nach Süden hin wurde von den Sultanen aufmerksam überwacht.
Schon seit Jahren war das Verhältnis zwischen den Nachbarn ein feindseliges, das in offene Feindschaft überging, als Ägypten unter dem Einfluss der europäischen Mächte die Einfuhr der Sklaven aus D. verbot und damit diesem Land eine seiner reichsten Einnahmequellen verstopfte. Nachdem Sultan Brahim 1873 mit dem im Süden von D. stationierten ägyptischen Bei Siber in offenen Kampf geraten war, rückte von Kordofan aus ein ägyptisches Korps unter Ismail Pascha in D. ein, schlug Sultan Brahim, der im Kampfe fiel (Oktober 1874), und das Sultanat wurde durch ihn 1874 für Ägypten erobert.
1883 wurde Darfur von der Armee des Sudanesen Muhammad Ahmad, der sich selbst zum Mahdi ernannt hatte, erobert. Zuvor hatte er den Österreicher Slatin, englischer Gouverneur von Dara, zur Kapitulation gezwungen.
Das Sultanat wurde 1889 unter anglo-ägyptischer Herrschaft halbautonom. In jener Zeit wurde die Einwohnerzahl auf höchstens 1,5 Mio. geschätzt. Davon bestand die Hälfte aus den damals vorherrschenden For, 500.000 Arabern, im Übrigen aus Tukruri und Fulbe.
1916 führte der letzte Sultan einen Aufstand gegen das britische Imperium an. Dieser wurde niedergeschlagen, der Sultan getötet und Darfur in den britisch beherrschten Sudan eingegliedert.
1994 wurde Darfur in drei sudanesische Bundesstaaten geteilt: Nord-, Süd- und Westdarfur.
Darfur wurde 2003 zum Schauplatz einer blutigen Rebellion gegen die arabisch-dominierte sudanesische Regierung mit zwei (schwarzafrikanische) Rebellengruppen – der Sudanesischen Befreiungsarmee (Sudan Liberation Army – SLA) und der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit (Justice and Equality Movement (Jem)), die die Regierung beschuldigen, Afrikaner zugunsten der Araber zu unterdrücken.
Im Gegenzug begann die Regierung einen Feldzug mit Luftbombardements und Bodenangriffen, durchgeführt von einer arabischen Miliz, den Dschandschawid.
Sie wurden beschuldigt, schwere Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben, darunter Massenmord, Plünderung und Vergewaltigungen der nichtarabischen Bevölkerung von Darfur.
Im Frühjahr 2004 wurden mehrere tausend Menschen getötet und Hunderttausende wurden aus ihrer Heimat vertrieben, was zu einer großen humanitären Krise in der Region führte.
Die Dschandschawid fallen auch immer wieder über Dörfer und Flüchtlingslager auf dem Gebiet des Tschad her.
Kriegsverbrechen und systematische „ethnische Säuberung“ – durch Völkermord und Vertreibung ins Nachbarland Tschad – sind laut Medienberichten inzwischen an der Tagesordnung. Nach UN-Angaben sind in Sudan mehr als eine Million Menschen auf der Flucht. Weitere rund 130.000 Menschen seien nach Tschad geflohen.
Indirekte Friedensgepräche haben im Nachbarland Tschad begonnen, sind aber nicht recht in Gang gekommen. Die Regierungsdelegation wohnte der Eröffnungszeremonie nicht bei.
Am 8. April 2004 wurde ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen. Es soll von einer Kommission mit Vertretern beider Konfliktparteien, des Tschad als Vermittler und der „internationalen Gemeinschaft“, überwacht werden. Der Waffenstillstand trat am 11. April in Kraft und ist von beiden Seiten mehrmals gebrochen worden.
Die sudanesische Regierung hat am 11. Mai 2004 einen Ausschuss eingesetzt, der den Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen und „ethnischen Säuberungen“ in der Region Darfur nachgehen soll. Die sudanesische Regierung wies eine Mitschuld an den Verbrechen muslimischer Milizen in Darfur zurück.
Auf ihrer jährlichen Tagung in Genf hat die UN-Menschenrechtskommission am 23. April 2004 entgegen eines Antrages der USA den Sudan nicht für die Menschenrechtsverletzungen in Darfur verurteilt. [1] Allerdings teilt sie die Befürchtungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass die Menschenrechtsverstöße ein besorgliches Ausmaß angenommen hätten. Die Menschrechtskommission verlangt von der Regierung in Khartum Zugang nach Darfur, um humanitäre Hilfe leisten zu können.
Während internationale Medien langsam mit einer Berichterstattung über die Region begannen, hielt sich die Politik erstaunlich bedeckt, ebenso die Vereinten Nationen.
Die Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen (UNHCR) hat angefangen, Notfallhilfe ins östliche Tschad zu fliegen. Die Organisation versucht auch, die Flüchtlinge im Tschad zur Sicherheit in Lager weiter im Landesinneren zu bringen.
Innerhalb des Sudans hat das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) begonnen, Nothilfe nach Norddarfur zu fliegen.
Entwicklungshelfer wollen Versorgung über die Straßen über humanitäre Korridore bringen, welche die Regierung als sicher bezeichnet. Es bleiben aber Ängste, die Straßen könnten Ziele von Angriffen sein.
Der Leiter der UN-Menschenrechtskommission, Bertrand Ramcharan, bezeichnete den Krieg in Darfur vor dem UN-Sicherheitsrat als „Terrorherrschaft“.
Auf einer Tagung der EU-Außenminister im April sprachen die Delegierten nur außerhalb der Tagesordnung über die politische Lage im Westsudan.
Sudanesische Behörden haben Vertretern des Menschenrechtsausschusses des deutschen Bundestags eine Einreise in die Krisen-Region Darfur verboten. Die Behörden beschlagnahmten außerdem Filmmaterial eines Kamerateams der ARD.
Die deutsche Bundesregierung hat die sudanesische Regierung mehrmals aufgefordert, den vereinbarten Waffenstillstand einzuhalten und Hilfsorganisationen Zugang zu den Flüchtlingen zu gewähren.
Außenstaatsministerin Kerstin Müller (Grüne) will in der EU für ein Eingreifen der Afrikanischen Union (AU) in Darfur plädieren. Dafür solle die EU bereitgestellte Gelder an die AU weiterleiten. Sie bezeichnet das Vorgehen der Milizen als „ethnische Säuberung“, will aber zum jetzigen Zeitpunkt über militärische Intervention nicht spekulieren, sondern erst den weiteren Verlauf der Friedensgespräche abwarten.
Die Befriedung der Region ist aus deutscher Sicht auch wirtschaftlich interessant. Im Südsudan werden unerschlossene Ölvorkommen vermutet. Eine deutsche Firma hat den Zuschlag für den Bau einer Eisenbahnlinie vom Südsudan nach Kampala in Uganda bekommen. Für die Umsetzung dieses Projekts mit einem Volumen von mehreren Millionen Euro ist ein Waffenstillstand Voraussetzung.
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Siehe auch
UN-Menschenrechtkommission (OCHCHR), Ärzte ohne Grenzen, CaritasWeblinks