Chromosom
Ein Chromosom (von gr. chromos: Farbe und soma: Körper, also anfärbbares Körperchen) ist ein langer, kontinuierlicher Strang aus Desoxyribonukleinsäure (DNA), der - als Doppelhelix um eine Vielzahl von Histonen (Kernproteinen) herumgewickelt und mehrfach zu einer kompakten Form spiralisiert - zusammen mit anderen Chromosomen während der Kernteilung einer eukaryontischen Zelle sichtbar wird und viele Gene enthält. Die Chromosomen wurden 1842 von Carl Wilhelm von Nägeli entdeckt, jedoch als "transitorische Zytoblasten" missdeutet. 1910 zeigte Thomas Hunt Morgan, dass die Chromosomen die Träger der Gene, also der Erbinformation, sind.Jedes Chromosom besteht sowohl bei haploiden als auch bei diploiden Organismen zu Beginn einer Zellkernteilung (Mitose) aus zwei Chromatiden, die am Centromer miteinander verbunden sind (Zwei-Chromatiden-Chromosom). Nach erfolgter Kernteilung besteht das Chromosom nur noch aus einem Chromatid (einer Chromatide), liegt also als Ein-Chromatid-Chromosom vor, doch verdoppelt sich dieses nach einiger Zeit wieder zu einem Zwei-Chromatiden-Chromosom.
Während der Mitose (Zellkernteilung) verkürzen sich die Chromatinfäden zu so genannten Metaphasechromosomen (Zwei-Chromatiden-Chromosomen). Dabei wird das mit den Histonen verbundene fädige Material der DNA mehrfach spiralig aufgewickelt, wobei erst die kompakte Form des Chromosoms entsteht.
Nur in diesem spiralisierten Zustand sind die Chromosomen unter einem Lichtmikroskop sichtbar. Wenn keine Kernteilung stattfindet, existieren die Chromosomen in Eukaryonten im "entspannten" (entspiralisierten) Zustand als längere DNA-Fäden im Zellkern, wobei die DNA in größeren Abständen immer wieder um Pakete aus 8 Histonen (strukturellen Proteinen, siehe Abbildung 1) gewickelt ist, so dass sie mit den vielen Histonen einer Perlenkette nicht unähnlich sieht.
In diesem Zustand werden die Chromosomen als Chromatin bezeichnet. Nur in diesem entspannten, nicht spiralisierten Zustand ist die DNA zur Transkription, Regulation und Duplikation (Replikation) fähig.
Prokaryonten besitzen keine Histone und keinen Zellkern; der Großteil ihres Erbmaterials liegt in Form eines einzelnen, ringförmig geschlossenen DNA-Strangs vor, der sich vergleichsweise ungeordnet im Plasma der Bakterienzelle befindet.
Manchmal wird er auch als "Bakterienchromosom" bezeichnet, obwohl er mit den eukaryotischen Chromosomen nicht viel gemein hat, so dass diese Bezeichnung nicht universell empfohlen wird.
Es werden zwei Typen von Chromatin unterschieden:
Die kompakte Form des Chromosoms
Chromosomen in Eukaryoten
Abbildung 1 : Verschiedene Phasen der Chromosomenkondensation.
Chromatin-Typen
Ausbildung und Transport der Chromosomen während der Kernteilung (Mitose)
Im Verlauf dieses Prozesses bilden die beiden zusammengehörigen Chromatiden (kondensierte Chromatinfäden) über das verbindende Centromer ein Zwei-Chromatiden-Chromosom.
Während der Mitose ziehen die Mikrotubuli die beiden Chromatiden auseinander, so dass jede Tochterzelle ein Chromatid (eine Chromatide), d.h. je ein Ein-Chromatid-Chromosom, erhält.
- Telophase: Sobald sich die Zelle geteilt hat, werden die Tochterchromatiden zu Chromatinfäden dekondensiert, die dann wieder als Träger der genetischen Information zugänglich sind und sich später wieder zu Zwei-Chromatiden-Chromosomen verdoppeln.
Struktur
Chromosomen sind hochgradig strukturiert (Abbildung 2). So liegen Gene mit ähnlicher Funktion im Chromosom häufig nebeneinander, aber nicht im linearen Chromatinfaden. Die Chromosomen besitzen eine primäre Einschnürungsstelle, das Centromer. Durch diese wird das Chromosom in zwei meist unterschiedlich lange Arme (Schenkel) unterteilt. Der kurze Arm eines Chromosoms kann bei Satellitenchromosomen (SAT-Chromosomen) durch einen Satelliten verlängert sein. Die DNA-Abschnitte in diesem Bereich kodieren für die ribosomale RNA. Die Enden des Chromosoms werden als Telomere bezeichnet. An ihnen wird die DNA bei jedem Teilungsvorgang ein wenig kürzer. Telomere spielen daher bei Alterungsprozessen eine wichtige Rolle.
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Art oder Gattung | Chromosomenzahl | Art oder Gattung | Chromosomenzahl | |
Taufliege | 8 | Mensch | 46 | |
Roggen | 14 | Menschenaffen | 48 | |
Meerschweinchen | 16 | Schaf | 54 | |
Taube | 16 | Pferd | 66 | |
Weinbergschnecke | 54 | Haushuhn | 78 | |
Regenwurm | 32 | Karpfen | 104 | |
Schwein | 38 | Seidenspinner | 20 | |
Saatweizen | 42 | Adlerfarn | 104 | |
Ruhramöbe | 12 | Pferdespulwurm | 4 | |
Hund | 78 | Natterzunge | 1260 | |
Streifenfarn | 144 | Birke | 28 | |
Runkelrübe | 18 | Apfelbaum | 34 | |
Himbeere | 14 | Kartoffel | 48 |
Innerhalb einer Spezies ist die Chromosomenzahl in den meisten Fällen gleich (Tabelle 1). Sich asexuell reproduzierende Organismen haben einen Chromosomensatz, der in allen Körperzellen gleich ist.
Sich sexuell fortpflanzende Tier- und Pflanzenarten haben oft somatische Zellen (normale Körperzellen) mit einem diploiden (doppelten) Chromosomensatz [2n] (d.h. mit je einem Chromosom von den beiden Elternorganismen) sowie Keimzellen (Gameten), die haploid sind und nur ein Chromosom jedes Chromosomentyps enthalten. Bei manchen Spezies können aber auch polyploidee Chromosomensätze [xn] vorkommen.
Wenn zwei passende (haploide) Keimzellen verschmelzen (Befruchtung), entsteht eine Zelle mit diploidem Chromosomensatz, die Zygote. Diese kann sich durch mitotische Zellteilungen zu einem diploiden Organismus entwickeln.
Es gibt aber auch Fälle, bei denen die Zygote, oft nach einer mehr oder weniger langen Ruhepause, eine Meiose (Reifeteilung) durchläuft, ohne sich vorher mitotisch geteilt zu haben. Aus den dabei entstehenden vier haploiden Zellen entwickeln sich haploide Organismen.
Daneben gibt es noch die Möglichkeit, dass Organismen der gleichen Art in ihrem Lebenslauf abwechselnd sowohl haploid als auch diploid sind. Dies kommt z.B. bei den Moosen und Farnen vor. (Näheres hierzu ist unter dem Stichwort Generationswechsel zu finden.) Bei den diploiden Organismen kommt es erst später, wenn sich Keimzellen in den Keimdrüsen des geschlechtsreifen Lebewesens entwickeln, zu einer Meiose.
Während einer solchen Meiose können die Chromatiden sich gegenüberliegender homologer Zwei-Chromatiden-Chromosomen Teile austauschen (Crossing over oder Crossover). Dadurch entstehen genetisch neu zusammengesetzte Chromosomen, die sich von denen der Elternorganismen unterscheiden.
Um die Anzahl der (diploiden) Chromosomen eines Lebewesens festzustellen, können sie während der Metaphase im Reagenzglas mit Colchizin, einem Spindelgift, arretiert werden, so dass sie nicht mehr zu den Zellpolen gezogen werden.
Die Zellen können dann angefärbt (der Name Chromosom leitet sich von ihrer Anfärbbarkeit her), fotografiert und in einem Karyogramm (auch Karyotyp genannt) angeordnet werden (Abbildung 3).
Das Y-Chromosom des Menschen enthält an den beiden Enden noch kurze Regionen, die mit den homologen Regionen des X-Chromosoms rekombinieren können. Die nicht rekombinierende Region enthält etwa zur Hälfte Gene, die auch auf dem X-Chromosom vorkommen. Dies sind vor allem Gene des Grundstoffwechsels. Zwei Gene, die auch auf dem X-Chromosom vorkommen, sind nur im Hoden aktiv. Die übrigen Gene ohne Entsprechung auf dem X-Chromosom sind ebenfalls nur im Hoden aktiv, bestimmen das männliche Geschlecht und steuern die Spermien-Produktion. Ein Verlust eines Stückes des langen Armes nahe dem Zentromer führt zu Kleinwuchs.
Ein Fehler bei der Chromosomentrennung oder beim Crossing over kann zu schweren Krankheiten führen. Diese lassen sich in zwei Klassen einteilen:
Chromosomenzahl
Karyogramm
Abbildung 3 : Karyogramm einer Frau.Chromosomen beim Menschen
Der Mensch besitzt im diploiden Zustand 46 Chromosomen. Davon gehören 22 Chromosomenpaare zu den Autosomen. Von diesen sind im doppelten Chromosomensatz je zwei homolog. Sie können im Karyogramm paarweise nach ihrer Größe und ihrem (nach Anfärbung) übereinstimmenden Bandenmuster angeordnet werden, wobei man sie mit Ziffern von 1 bis 22 versieht. Wie viele andere sich sexuell reproduzierende Spezies hat auch der Mensch neben den Autosomen noch zwei Gonosomen, spezielle Geschlechtschromosomen, die unter anderem für die Geschlechtsbestimmung zuständig sind. Bei diesen unterscheidet man zwischen X- und Y-Chromosomen. Menschen mit zwei X-Chromosomen sind Frauen (XX), Menschen mit einem X- und einem Y-Chromosom sind Männer (XY). Eine Frau besitzt also 22 Autosomenpaare und zwei identische Geschlechtschromosomen, ein Mann 22 Autosomenpaare und zwei unterschiedliche Gonosomen.
Bei Frauen wird eines der X-Chromosomen inaktiviert und erscheint unter dem Mikroskop als Barr-Körperchen oder Geschlechts-Chromatin.Genom- und Chromosomenmutationen durch Fehler bei der Kernteilung
Literatur
Siehe auch
Weblinks
Beurteilung:
Exzellenter Artikel