Charlotte von Mahlsdorf
Charlotte von Mahlsdorf (* 18. März 1928 in Berlin-Mahlsdorf als Lothar Berfelde, † 30. April 2002 in Berlin) begründete das Gründerzeitmuseum in Berlin-Mahlsdorf.
Der Vater Max Berfelde, zeitweise politischer Leiter der NSDAP, in die er bereits Ende der 1920er Jahre eingetreten war, in Mahlsdorf, drängte 1942 seinen Sohn zum Eintritt in die Hitlerjugend. Zwischen Vater und Sohn gab es oft Streit, dieser eskalierte jedoch, nachdem die Mutter in den Tagen der Evakuierung 1944 die Familie verlassen hatte. Der Vater forderte den Jungen, sich für ein Elternteil zu entscheiden und drohte ihm mit seinem Dienstrevolver. Infolgedessen erschlug Lothar den Vater mit dem Revolver im Schlaf. Nachdem er einige Wochen in der Psychatrie zubrachte, wurde er im Januar 1945 von einem Berliner Gericht als "asozialer Jugendlicher" zu vier Jahren Jugendgefängnis verurteilt.
Mit dem Ende des "Dritten Reiches" kam Lothar frei, arbeitete nach Kriegsende als Trödler und kleidete sich weiblicher. Aus "Lothar" wurde "Lottchen", liebte ältere Männer und wurde zur stadtbekannten Figur "Charlotte von Mahlsdorf".
Sie begann, Haushaltsgegenstände zu sammeln, rettete so aus zerbombten Häusern verschiedene historische Alltagsgegenstände und profitierte auch von Haushaltsauflösungen von Personen, die in den Westen gingen.
Aus der Sammlung entstand 1959/60 das "Gründerzeitmuseum": sie setzte sich für den Erhalt des vom Abriss bedrohten Gutes Mahlsdorf ein und erhielt das Haus sogar mietfrei. 1960 eröffnete sie in dem erst teilrekonstruierten Haus ihr Museum von Alltagsgegenständen der Gründerzeit. Dieses erlangte Bekanntschaft in Film-, Künstler- und Schwulenkreisen und ab 1970 fanden hier oft Treffen und Feiern der Homosexuellenszene (Ost-)Berlins statt. 1974 kündigten DDR-Behörden an, dass Museum mit den Ausstellungsstücken verstaatlichen zu wollen, worauf Charlotte von Mahlsdorf begann, ihren Besitz an die Besucher zu verschenken.
Durch das Engagement der Schauspielerin Annekathrin Bürger und des Rechtsanwalts Friedrich Karl Kaul (und möglicherweise auch durch die Verpflichtung als Inoffizieller Mitarbeiter des MfS) konnte die Aktion jedoch 1976 beendet werden und Charlotte das Museum behalten.
1991 überfielen Neonazis eines ihrer Feste auf dem Gutshof und verletzten mehrere Teilnehmer. Zu dieser Zeit kündigte sie Überlegungen an, Deutschland verlassen zu wollen. 1992 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz.
Der Entschluss, Deutschland zu verlassen, sorgten dafür, dass sie 1995 das letzte Mal Besucher durch das Gründerzeitmuseum führte und 1997 nach Porla Brunn in Schweden umsiedelte. Dort eröffnete sie (mit mäßigem Erfolg) ein neues Jahrhundertwendemuseum.
Das Mahlsdorfer Gründerzeitmuseum kaufte die Stadt Berlin. Es wurde bereits 1997 vom Förderverein Gutshaus Mahlsdorf e.V. wiedereröffnet.
Am 30. April 2002 starb Charlotte von Mahlsdorf während eines Berlinbesuches an Herzversagen.
(Angaben weitestgehend nach der unten genannten Autobiografie "Ich bin meine eigenene Frau" sowie unten genannten Zeitungsartikel)
So wurde ihr vorgeworfen, dass ihre Sammlung zu großen Teilen im "Dritten Reich" durch Haushaltsauflösungen deportierter Juden entstand und in der DDR durch Haushaltsauflösungen geflüchteter und augereister DDR-Bürger vergrößert worden sei. Außerdem soll sie sich am 17. November 1971 aus Überzeugung als Inoffizieller Mitarbeiter beim MfS verpflichtet und unter dem Decknamen "Park" bis 1976 Informationen geliefert haben.
Davon unabhängig warfen ihr einige vor, dass sie den bürgerlichen Lebensstil schätzte und sich nach der Wende von der DDR distanzierte und sie als "rotes KZ" bezeichnete sowie Alexander Schalck-Golodkowski für schlimmer als Hermann Göring empfand.
Durch biologisch zweifelhafte Äußerungen wie "Daß die Lesben und Schwulen keine Kinder kriegen, das ist doch ganz natürlich. Die Natur sucht sich ja auch aus, was sie gebrauchen kann, was sie sich vermehren läßt und was nicht. Und wenn wir’s mal so nehmen: Wenn die Lesben und Schwulen nun auch noch Kinder kriegen würden, dann hätten wir heute noch viel mehr Arbeitslose." (geäußert bei einer Lesung am 12. März 1997 in Berlin, zitiert nach [1]) verlor sie auch bei einigen Homosexuellen Freunde.
Link dazu: Artikel der Berliner Zeitung vom 06.07.1997
Der Gedenkstein sollte nach dem Willen der Organisatoren mit einer Tafel mit der Inschrift "Ich bin meine eigene Frau - Charlotte von Mahlsdorf - 18. März 1928 - 30. April 2002" am ersten Todestag aufgestellt werden. Die Angehörigen Charlotte von Mahlsdorfs wendeten sich jedoch gegen die Inschrift und stellten Änderungsforderungen. Da die Nachlassfrage nicht geklärt war und der Förderverein des Gründerzeitmuseums Sorge hatte, die Angehörigen könnten die Möbel zurück fordern, wurde diesen Forderungen nachgegeben.
Obwohl Charlotte von Mahlsdorf in den letzten Jahren fast nur noch unter ihrem/seinem Künstlernamen wahrgenommen wurde, setzten sie den Text ''"Lothar Berfelde, 1928 - 2002, genannt Charlotte von Mahlsdorf. Dem Museumsgründer zur Erinnerung" durch.
Leben
Lothar Berfelde wurde 1928 in Berlin als Sohn von Max und Gretchen (geb. Gaupp) Berfelde geboren. Nach ihrer Autobiografie interessierte er sich bereits als Kind für Mädchenkleider und "alten Kram". Er fühlte sich als Mädchen und half bereits in jungen Jahren einem Trödelhändler, Wohnungen - zumeist deportierter Juden - auszuräumen, wobei sie einzelne Stücke auch für sich zurückhielt. Diskussionen um sie/ihn
Zweifelhafte Vergangenheit - diskutable Ansichten
In den 1990er Jahren kamen mit der zunehmenden Bekanntheit Charlotte von Mahlsdorfs auch Fragen nach ihrer Vergangenheit auf. Dabei wurde deutlich, dass ihre Autobiografie sowohl für die Zeit des Nationalsozialismus als auch für die DDR-Zeit mehrere Widersprüche enthält.Diskussion um die Inschrift auf dem Gedenkstein
Ungeachtet dieser Diskussionen gibt es einige, die ihr Ansehen in Ehren halten: Sei es für ihr Wirken als Sammlungsbegründerin einer der bedeutendsten Sammlungen zur Gründerzeit oder für ihr öffentliches Auftreten als Transvestit und die Thematisierung der Verfolgung Homosexueller im "Dritten Reich" wie in der DDR. So war auch die vom "Förderverein Gutshaus Mahlsdorf" (dem Förderverein des Gründerzeitmuseums) und der "Interessengemeinschaft Historische Friedhöfe Berlin" in Leben gerufene Spendenaktion für einen Gedenkstein für Charlotte von Mahlsdorf erfolgreich.Die Bücher von Charlotte von Mahlsdorf
Bühnenstück
Der amerikanische Autor Doug Wright hat die Autobiographie Ich bin meine eigene Frau zum Gegenstand des Theaterstücks I Am My Own Wife gemacht, das 2004 sowohl den Pulitzer-Preis als auch den Tony Award als "Best Play" gewann. Weblinks
Artikel der Berliner Zeitung vom 06.07.1997 zu Fragen ihrer Biografie