Charles Taze Russell
Charles Taze Russell (* 16. Februar 1852 in Allegheny, USA † 31. Oktober 1916, zwischen Los Angeles und New York) war der Gründer der Watchtower Bible & Tract Society, aus der sich die Zeugen Jehovas entwickelten.Russell entstammte materiell wohlhabenden Kreisen und investierte sein Vermögen für seine sich bildende Organisation. Ursprünglich in Pittsburgh (Pennsylvanien, USA) ansässig, wurde später (1909), als die Organisationsverfestigung bereits erfolgt, der Zentralsitz nach Brooklyn, (New York, USA) verlegt.
Gemäß eigener Aussage war er anfänglich an religiösen Fragen nicht sonderlich interessiert. Sein "Damaskuserlebnis" trat ein, als er in einem "staubigen Lokal" eine Splittergruppe der von William Miller begründeten Adventisten näher kennenlernte. Diese "Second Adventisten" hatten dem Jahre 1874 als neuem Endzeitdatum zugefiebert. Davor gab es in dieser Gruppierung schon die ähnlichen Erwartungen für 1843/44. Mit N. H. Barbour, einem Vertreter dieser Gruppe, modifizierte er die 1874-Erwartung in eine "geistige Wiederkunft Christi".
Das zusammen mit Barbour verfasste Buch "Drei Welten" (nur auf Englisch erschienen), wurde später, nachdem Russell sich wieder von Barbour getrennt, inhaltlich erweitert, und ist als "Schriftstudien" Band I noch heute bekannt. Weitere Bände folgten, wobei insbesondere das darin enthaltene 1914-Datum hervorhebenswert ist.
Das 1914 Datum, in abgewandelter Form (bei Russell materiell-irdische Erwartungen) gilt noch heute bei den Zeugen Jehovas als grundlegendes Datum. Danach hätte in jenem Jahre Christus seine Macht im Himmel angetreten. Andere Daten Russells etwa, der Beginn der Endzeit im Jahre 1799 (ausgehend von dem Startdatum 539 zuzüglich 1260 = 1799) finden heute keine Verwendung mehr („Schriftstudien" Band II S. 288).
Ebenfalls keine Verwendung mehr findet die flankierende Berechnung des 1914-Datums auch aus den Maßen der Großen Pyramide zu Gizeh: „Dieses Maß beträgt 1542 Zoll und gibt das Jahr 1542 v. Chr. als das Datum an jenem Punkte an. Dann, von diesem Punkte an, die 'Eingangs-Passage' h i n a b messend ... erfahren wir, daß es 3457 Zoll beträgt, welche 3457 Jahre symbolisieren, von dem obigen Datum, 1542 v. Chr. an. Diese Berechnung zeigt das Jahr 1915 n. Chr., als den Anfang der Zeit der Drangsal bezeichnend, an; denn 1542 v. Chr. und 1915 n. Chr. geben 3457 Jahre. So bezeugt die Pyramide, daß der Schluß des Jahres 1914 der CHRONOLOGISCHE Anfang der Zeit der Drangsal war, dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht, nein, noch auch je sein wird." („Schriftstudien" Band III, S. 330)
Autoren, wie beispielsweise Alan Rogerson und Dietrich Hellmund, machen darauf aufmerksam, dass es einen Konkurrenzkampf in den unterschiedlichen Gruppen der Frühzeit gab. Russell gelang es, in den Besitz der Abonnentenkartei einer von Barbour geführten Zeitschrift zu gelangen, und selbigen seine eigene Zeitschrift "Zions Wachtturm" (heute "Der Wachtturm") zuzustellen. Aufgrund seiner materiellen Ressourcen hat Russell diesen Konkurrenzkampf dann gewonnen.
Wie schon der Name "Zions" andeutet, war er einer der theologischen Wegbereiter in der Neuzeit, der dem Volke Israel einen in der Bibel "vorhergesagten" endzeitlichen Rang zumisst. Dieser Aspekt sollte auch noch bis in die 1920er Jahre unter seinem Nachfolger J. F. Rutherford (etwa in dessen "Trost für die Juden") vorherrschen.
Neben dem Ausgangsdatum 1874 orientierte er auf das Jahr 1914, welches nach anfänglicher Euphorie letztendlich doch in Depression der Bewegung umschlug. Erst J. F. Rutherford vermochte es dann, wieder das Ruder herumzureißen.
Das Lexikon "Die Religion in Geschichte und Gegenwart" (1. Auflage) erwähnt auch die auf Russells Lehren sich gleichfalls stützenden Kreise in der Schweiz um die Zeitschrift "Die Aussicht" (seit 1902 erschienen), die mit die ersten Kreise auf dem europäischen Kontinent sind, die von ihm beeinflusst waren. Hier schon zeigten sich alsbald schismatische Tendenzen. Der "Aussicht"-Kreis wollte sein Blatt weiter selbständig redigieren. Russell bestand auf der Dominanz des "Zions Wachtturm". Die Tendenz, keine Selbstständigkeit neben sich zu dulden, sollte sich unter J. F. Rutherford noch verstärkt fortsetzen.
Maßgeblich von Russell und seinen "Schriftstudien" beeinflusst, erwies sich auch der altkatholische Pfarrer Dr. Walter Kueppers
Zu den Publikumswirksamen Aktionen Russell's gehörte auch sein "Photo-Drama der Schöpfung". Eine Art kommentierter Lichtbildervortrag mit Musikuntermalung. Gelegentlich sind noch heute bei ebay CD-ROM-Versionen davon im Angebot. Neben seinem ersten Buch, erschienen insgesamt zu Lebzeiten sechs Bände " Schriftstudien ". Ein postum herausgebener siebenter Band (weitgehend als Anthologie gestaltet und schon neue Akzente Rutherford's enthaltend) wird in etlichen an Russell festhaltenden Kreisen als "apokryph" angesehen.
Die "Schriftstudien" Russells sind vom Verlag der Zeugen Jehovas (Wachtturmgesellschaft) letztmalig 1926 neu aufgelegt worden. Mit dem Aufkommen des immensen Schrifttums des Rutherford, gerieten sie in die bewusste Vergessenheit.
Lediglich die "Tagesanbruch Bibelstudien Vereinigung" hat die "Schriftstudien" in den 1950er Jahren neu aufgelegt. Zu letzterer siehe auch eine Webseite aus deren Umfeld.
http://www.kronline.at/bibelstudien/
Bezüglich des "Photo-Drama der Schöpfung", siehe auch:
http://www.agsconsulting.com/menucn3.htm
Andere Bibelforscher-Gruppen die sich auf Russell zurückführen