Charakteristische Dissonanz
Unter einer charakteristischen Dissonanz versteht man in der Musik einen oder mehrere Töne, die einem Dreiklang hinzugefügt werden können und im harmonischen Zusammenhang dessen Funktion bzw. Wirkungsweise verstärken.Die geläufigste Dissonanz dieser Art ist die kleine Septime, die eine Dominante zum Dominantseptakkord macht. Durch sie erhält die Terz (der Leitton zum Grundton der Tonika) des Dominant-Dreiklangs einen gleichwertigen, nach unten strebenden Partner im Tritonusabstand, der sich im Normalfall zur Terz der Tonika auflöst. Dieser Dominantseptakkord kann durch Hinzufügung weiterer charakteristischer Dissonanzen (z. B. der kleinen oder großen None) noch verschärft werden.
Eine weitere Art findet man auch bei der Subdominante: hier handelt es sich um die Sexte, auch sixte ajoutée (frz.: hinzugefügt) genannt. Ihre Funktion ist eine Art Überbrückung zum meistens nachfolgenden Dominantklang, da sie der einzig gemeinsame Ton dieser beiden Klänge ist. Die sixte ajoutée ist im Klangergebnis weicher und hat nicht so ein deutliches Streben nach Auflösung wie der Dominantseptakkord.
Da diese speziellen Dissonanzen aufgrund von Hörerfahrungen eindeutige Assoziationen auslösen, sind sie in der atonalen Musik verpönt: in ihr geht es gerade um die Aufhebung oder Vermeidung solcher traditioneller Klänge und Muster.
Im Jazz hingegen begegnet man einer Vielzahl von charakteristischen Dissonanzen, die allerdings oft mehrdeutig sind, das heißt, nicht immer einer einzigen Funktion zugeordnet werden können. So tritt die große Septime in Tonika- und Subdominantklängen auf, eine None (groß oder klein) ist in fast allen Klängen verwendbar. Die kleine Septime bleibt nicht der Dominante vorbehalten sondern kann (zum Beispiel im Blues) ebenfalls Tonika- und Subdominantdissonanz sein. Insofern verschwimmt hier der Begriff der Dissonanz, da diese meist nicht zum Auflösungsbedürfnis beitragen sondern auch sehr stabile, in sich ruhende Klänge färben. Die jeweils möglichen oder sinnvollen Dissonanzen ergeben sich aus der Tonleiter (oder allgemeiner: Skala), die dem Stück oder dem Abschnitt zugrunde liegt, also dem tonalen Zentrum. (zur Erweiterung von Dreiklängen siehe auch: Stufentheorie)
Beispiele in C-Dur:
(Bei den Klangbeispielen handelt es sich um MIDI-Dateien, je ungefähr 0,2kB.
Außer dem Beispiel zur Subdominante werden alle Beispiele in die Tonika aufgelöst, damit ein Eindruck der Akkordfunktion entstehen kann. Es empfiehlt sich, vor und zwischen dem Abhören der Klangbeispiele die vollständige Kadenz in C-Dur zu hören, um das Ohr zu "eichen": )
- Dominante: g-h-d
- Dominantseptakkord: g-h-d-f (Leitton h strebt aufwärts zum c, "Gleitton" f strebt abwärts zum e)
- Dominantseptnonakkord: g-h-d-f-a/as (die None löst sich zur Quinte der Tonika, hier der Ton g, auf)
Beispiel: das Motiv der Rheintöchter im Rheingold von Richard Wagner (allerdings ist hier der Septnonakkord verkürzt, das heißt ohne den Grundton g = "halbverminderter Septakkord")
- Dominantseptakkord: g-h-d-f (Leitton h strebt aufwärts zum c, "Gleitton" f strebt abwärts zum e)
- Subdominante: f-a-c
- Subdominante mit Sexte: f-a-c-d (d ist einziger gemeinsamer Ton mit der Dominante g-h-d)
- Subdominante mit Sexte: f-a-c-d (d ist einziger gemeinsamer Ton mit der Dominante g-h-d)