Caspar Friedrich Wolff
Caspar Friedrich Wolff (* 18. Januar 1734 in Berlin; † 22. Februar 1794 in Sankt Petersburg) war ein deutscher Physiologe und Begründer der modernen Embryologie.Die Eltern, der Schneidermeister Johann Wolff und seine Frau Anna Sophie (geborene Stiebelern), lebten in Berlin in der Neumannsgasse, wo sie 1708 das Berliner Bürgerrecht erworben hatten. Die Familiendaten wurden in das Buch der nahgelegenen Petri-Kirche geführt.
Der Vater emöglichte ihm eine gute Schulbildung, und am 4. November 1753 wurde er in die Listen des medizinisch-chirugischen Kollegiums eingetragen. Diese Institution ging aus dem "anatomischen Theater" hervor und errang 1724 den Rang einer Art medizinischer Akademie, wo die Ausbildung künftiger Wundärzte und Militärwundärzte stattfand.
In Preußen musste jeder, der niedergelassener Arzt werden wollte, an einem anatomischen Kursus dieses "Collegium medicochirurgicum" teilgenommen haben. Zur Ausbildung gehörten neben den Vorlesungen auch Sezierübungen. Die Räume der "Anstalt" lagen im hinteren Flügel des ehemaligen "königlichen Marstalls" unter der Sternwarte der "Societät", der späteren Akademie der Wissenschaften.
Über die Ausbildung beim Sezieren durch den Anatomen Johann Friedrich Meckel dem Älteren (1714-1774) berichtete er:"Es waren die Muskeln am Fuße, die ich präparieren sollte, und wenn ich nicht irre, mein erster Kadaver". Der Lehrplan umfasste Chemie, Physik, Mathematik und Botanik (durch den Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch). Gleditsch, der auch Direktor des botanischen Gartens der Akademie war, begann seine Exkursionen morgens um vier Uhr, "damit ein jeder mit seinen frisch gesammelten Pflanzen noch vor einfallender Hitze des Vormittags wieder zu Hause sein kann."
Die botanische Ausbildung fand auch im Tiergarten, den Spreewiesen und auf der Jungfern- oder Hasenheide statt. Wolff beschloss nach dieser Ausbildung, mit einer Immatrikulation vom 10. Mai 1755 an der Universität Halle seine Studien im Fach Medizin fortzusetzen. Während der neun Semester in Halle beschäftigte er sich mit verschiedenen Disziplinen, unter anderem mit Philosophie.
Seine weiteren Schritte im Studium waren nicht durch andere Vorstellungen getrübt, denn er griff selbst zum Mikroskop und zum Seziermesser. Und er war davon überzeugt, dass einige Lehren von der Entwicklung nicht mit der gegebenen Natur übereinstimmten. Und so wurde seine Dissertation entsprechend betitelt: "Theoria generationis" (Theorie der Entwicklung, Theorie von der Entwicklung). Im Jahre 1759 war diese Schrift fertig und gedruckt. Am 28. November 1759 verteidigte er diese Promotionsarbeit, und als Doktor der Medizin kehrte er nach Berlin zurück.
Mit seiner Dissertation hatte sich Wolff gegen die herrschende Präformationslehre gewandt. Über die Schwierigkeiten, diese Position zu behaupten, war er sich bewusst: "Ich weiß sehr wohl, daß es schwer ist, Unbekanntes zu erforschen, ohne irgendwie von der Wahrheit abzuweichen. Was aber das Prinzip und die allgemeinen Gesetze der Entwicklung bestrifft, so glaube ich nicht, mich geirrt zu haben", hieß es in der Vorrede seiner Dissertation, die mit dem Kapitel "Über die Entwicklung der Pflanzen" beginnt.
Er geht von der Ernährung aus, die durch eine "wesentliche Kraft" bewirkt werde. Diese Kraft bewirkt die Aufnahme von Flüssigkeit, ihre Verteilung, Speicherung und Ausscheidung. Junge Teile der Pflanze seien entweder nur aus "Bläschen" (Zellen) zusammengesetzt oder bestünden "aus einer klaren, homogenen, glasigen Substanz, ohne eine Spur von Bläschen oder Gefäßen". Neue feste Substanzen entstehen durch Verdunstung der wässerigen Teile, und in ihr bilden sich wiederum neue Bläschen und Gefäße.
Der zweite Teil der Dissertation behandelt die Entwicklung der Tiere, ausgehend von der Beobachtung des Hühnereis. Dann widmet er sich der Organbildung, wobei er immer wieder einen Bezug auf die Entwicklung der Pflanzen nimmt. Im dritten Teil schreibt er "über die organischen Naturkörper und ihre Bildung im allgemeinen und von der Beziehung zwischen dem organischen und dem in Entwicklung begriffenen Körper".
Die zu damaliger Zeit vertretene Auffassung des Körpers als Maschine lehnt er ab: "Alle die Funktionen des Körpers, von denen ich geleugnet habe, daß sie sich auf mechanische Weise vollziehen, habe ich auf keine Art erklärt; ich habe nur den Zusammenhang, der zwischen der Maschine und dem Leben besteht, untersucht, den Ursachen des letzteren aber doch, wo es zu der Maschine keine Beziehung hat, nicht weiter nachgeforscht".
Trotz der Fehler und falscher Schlussfolgerungen in dieser Arbeit stellt sie in der Naturbetrachtung einen Wendepunkt dar: er sprengt die Fesseln der Präformation und schlägt das Kapitel der Epigenese auf, womit er den entscheidenden Weg aus der Sackgasse des Präformismus und Evolutionismus zeigte.
Im Jahre 1760 kehrt er nach Berlin zurück in das Vaterhaus. Schon 1759 hatte er seine Dissertation an den Schweizer Gelehrten Albrecht von Haller geschickt, die er 1760 in den "Göttingischen gelehrten Anzeigen" bespricht:"...Wir haben seit langer Zeit kein so wichtiges Werk gelesen...".
Von 1761 an während des siebenjährigen Krieges musste er im Breslauer Feldlazarett seinen Militärdienst verrichten. Dabei fand er die Unterstützung des obersten Feldarztes Christian Andreas Cothenius(1708-1789), der ihn vom einfachen Dienst befreite. Cothenius war zugleich Dekan im "Obercollegium medicum" und gehörte zur Leitung des medizinisch-chirugischen Kollegiums, so dass er veranlasste, dass Wolff anatomische Vorlesungen und Demonstrationen abhielt. Diese Veranstaltungen waren sehr berühmt, dass auch Ärzte aus Breslau daran teilnahmen.
Eine Hilfe in dieser Zeit war Chistian Ludwig Musinna (1744-1823), der später (1787) Professor am medizinisch-chirugischen Kollegium und leitender Chirug der Charité in Berlin wurde. Nach der Auflösung des Lazaretts im Frühjahr 1762 richtete er ein Gesuch an Cothenius, in Berlin Vorlesungen über Physiologie ("Collegium physiologicum") zu halten. Solche Vorlesungen zu halten, war zu damaliger Zeit eine Privileg von sieben Professoren des medizinisch-chirugischen Kollegiums. Obwohl die Professoren das Gesuch Wolffs ablehnten, erteilte Cothenius die Erlaubnis. Da Wolff aber keine Unterstützung fand, organisierte er die Vorlesungen selbst, wobei er den Umfang auf medizinische Fragen und Logik neben der Physiologie ausdehnte. Im Mittelpunkt seiner Betrachtungen stand die Epigenese.
Im Jahre 1764 veröffentlichte er unter dem Titel "Theorie von der Generation" ein erweitertes Kapitel seiner Dissertation: "Es liegt mir jetzo ebenso viel daran, meinen Zuhörern einen vollständigen Begriff von dem Generationsgeschäfte zu machen, als mir damals daran gelegen war, meinen Freunden meine Entdeckung in dieser Sache umständlich zu erklären". In dieser Schrift setzt sich Wolff auch mit den Einwändungen von Charles Bonnet auseinander.
Trotz der Erfolge seiner Lehrtätigkeit nahm die Gegnerschaft der ansässigen Professoren zu. So bemühte er sich um eine Anstellung an den Universitäten Bützow (Universität von 1760-1789) und Rinteln (Universität von 1621-1809), wurde aber abgewiesen. In dieser Zeit ist einer seiner Schüler der spätere Arzt Christian Gottlieb Selle (1749-1800), der 1778 Lehrer an der Charité wurde und die Abhandlung "Philosophie des gesunden Menschenverstandes" verfasste.
Ende 1766 zog sich Wolff durch das angestrengte Arbeiten mit dem Mikroskop eine heftige Augenentzündug zu, was mit den ungünstingen Arbeitsverhältnissen zusammen hing. So nahm er den Ruf vom 9. Oktober 1766 an die Petersburger Akademie an, den Katharina II gesendet hatte.
Veröffentlichungen
Siehe auch: Wolffscher Gang