Bundesbrief
Der Bundesbrief, datiert von Anfang August 1291, gilt als mythische Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dieser Bund wurde von den Gebieten Uri, Schwyz und Unterwalden aufgestellt, womit diese nach dem Mythos die ersten drei Kantone der Schweiz bildeten. Er ist erhalten und im Bundesbriefarchiv in der Gemeinde Schwyz ausgestellt. Der Bundesbrief liegt als Pergamentblatt im Format 320 x 200 mm vor und umfasst 17 Zeilen.Es wird oft übersehen, dass nur Nidwalden, nicht aber Obwalden im Text erwähnt wird. Die Urkunde ist aber mit dem Siegel von Unterwalden versehen, welches sowohl für Nidwalden als auch für Obwalden galt. Es könnte sein, dass Obwalden zu einem späteren Datum diesem Bund beitrat.
Ebenfalls weniger bekannt ist, dass die Urkunde kein genaues Datum trägt: sie sei "Anfangs August" 1291 verfasst worden, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass dies gerade am 1. August gewesen sein muss.
Erst im 19. Jahrhundert, insbesondere beim 600-jährigen Jubiläum 1891, schenkte man diesem Bundesbrief die Beachtung, die er heute geniesst. Zuvor wurde als Gründung der Schweiz meist der Bund von Brunnen angesehen, welcher am 9. Dezember 1315 nach der Schlacht bei Morgarten geschlossen wurde. Für den Rütli-Schwur existiert auch das überlieferte Datum 8. November 1307. Zudem wird im Bundesbrief von 1291 auf ein früheres Abkommen Bezug genommen, dessen Text jedoch nicht erhalten geblieben ist. Somit kann man die Gründung nicht auf ein einzelnes Ereignis (die Unterzeichnung des Bundesbriefes) reduzieren, sondern muss sie als lange andauernden geschichtlichen Prozess verstehen.
Viele Historiker weisen darauf hin, dass der Bundesbrief mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Fälschung aus dem 14. Jahrhundert oder um 1400 darstellt, wie sie im Mittelalter gang und gäbe waren. Kritiker dieser Haltung betonen hingegen, man habe das Alter des Bundesbriefes mit der C14-Methode mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 Prozent auf den Zeitraum zwischen 1252 und 1312 festlegen können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch die Zuverlässigkeit der Radiometrie teilweise umstritten ist und letztlich nur über das Alter des verwendeten Pargamentpapiers Auskunft geben kann. Unbestritten ist hingegen, dass der Bundesbrief im Kontext von unzähligen anderen Landfrieden der damaligen Zeit gesehen werden muss und sich keine direkte Verbindung zum modernen Schweizer Bundesstaat von 1848 herleiten lässt.
Übersetzung aus dem Lateinischen
Im Namen Gottes, amen. Es ist ein ehrbar Werk und dient dem öffentlichen Wohl, wenn Verträge, die der Ruhe und dem Frieden dienen, in richtiger Form gesichert werden.
Daher vernehme jedermann, dass die Männer des Tales Uri, die Gemeinde des Tales Schwyz und die Gesamtheit der Leute von Unterwalden in Nidwalden in Anbetracht der Arglist der Zeit und um sich und ihre Habe leichter verteidigen und im richtigen Stande besser erhalten zu können, in guten Treuen sich versprochen haben, sich gegenseitig mit Hülfe, jeglichem Rat und Förderung, mit Leib und Gut beizustehen, innerhalb der Täler und außerhalb, mit aller Macht und Kraft, gegen eine Gesamtheit oder gegen Einzelne, die ihnen oder einem von ihnen Gewalt antun, sie belästigen oder ihnen Unrecht zufügen und gegen ihr Leib und Gut Böses im Schilde führen sollten. Und es hat jede Gemeinde versprochen, der andern in jedem Falle zu Hülfe zu eilen, sofern Hülfe notwendig sein sollte, und zwar in eigenen Kosten und in dem Umfange, als es notwendig sein sollte, um dem Angriff Böswilliger zu widerstehen und geschehenes Unrecht zu rächen.
Sie haben zudem einen leiblichen Eid geschworen, diese Vereinbarung ohne Hintergedanken zu halten und dabei den Inhalt eines frühern, eidlich bekräftigten Bündnisses durch die gegenwärtige Abmachung erneuert, jedoch in der Meinung, dass ein jeder gemäß seinem Stande seinem Herrn nach Gebühr untertan sein und ihm dienen solle.
Mit gemeinsamem Rate und einhelliger Zustimmung haben wir uns zugesagt, beschlossen und festgesetzt, dass wir in den vorgenannten Tälern keinen als Richter je annehmen noch entgegennehmen wollen, der sein Amt durch irgend eine Dienstleistung oder durch Bezahlung einer Geldsumme in irgend einer Weise erworben haben oder der nicht unser Landsmann sein sollte.
Wenn jedoch unter einzelnen Eidgenossen Zwietracht entstehen sollte, so sollen die Einsichtigsten der Eidgenossen den Streit zwischen den Parteien in der ihnen gut scheinenden Weise schlichten, und wenn eine der Parteien diese Beilegung des Streites zurückweisen sollte, so sollen die übrigen Eidgenossen gegen sie Partei nehmen.
Überdies besteht zwischen ihnen eine Übereinkunft folgenden Inhaltes: Wer einen anderen hinterlistig und unschuldig umbringt, soll, wenn er ergriffen wird, sein Leben verlieren, falls es ihm nicht gelingt, seine Unschuld am genannten Verbrechen nachzuweisen, so wie es seine schwere Schuld verlangt. Und falls er etwa entweichen sollte, so darf er nie mehr zurückkehren. Wer den vorgenannten Verbrecher aufnimmt und beschützt, soll so lange aus den Tälern verbannt sein, bis er von den Bundesgenossen ausdrücklich zurückgerufen wird.
Wer einen von den Eidgenossen am Tage oder in der Stille der Nacht in heimtückischer Weise durch Brandstiftung schädigt, der soll nimmermehr als Landsmann gelten. Und wenn ihn jemand innerhalb der Täler begünstigt und beschützt, so soll dieser dem Geschädigten den Schaden wieder gut machen.
Sollte ferner einer der Bundesgenossen einen anderen seiner Habe berauben oder ihm in irgend einer Weise Schaden zufügen, so soll seine Habe, falls sie innerhalb der Täler erfaßt werden kann, beschlagnahmt werden, um dem Geschädigten, wie es das Recht erfordert, Wiedergutmachung zu verschaffen.
Im weitem soll keiner den anderen pfänden, es sei denn, dass dieser offenkundig sein Schuldner oder Bürge sei. Und das darf überdies nur mit der Erlaubnis des zuständigen Richters geschehen.
Außerdem soll jeder seinem Richter gehorchen und, falls es notwendig sein sollte, innerhalb [des Tales] denjenigen Richter bezeichnen, vor welchem er Recht zu nehmen hat. Und wenn sich einer gegen einen Richterspruch auflehnt und wegen seiner Hartnäckigkeit einer unter den Eidgenossen zu Schaden kommen sollte, so haben sämtliche Verbündete den betreffenden Fehlbaren zur Leistung von Schadenersatz anzuhalten.
Sollte jedoch Fehde und Zwietracht unter einzelnen der Eidgenossen entstehen und die eine der streitenden Parteien sich weigern, sich dem Rechte zu fügen und Genugtuung zu leisten, so sind die Verbündeten verpflichtet, der anderen Partei beizustehen.
Die obenstehenden, in heilsamer Absicht zum gemeinen Nutzen aufgestellten Abmachungen sollen, so Gott will, ewig dauern. Zum Beweis dessen ist die vorliegende Urkunde auf Verlangen der eingangs Genannten aufgesetzt und durch Anhängen der Siegel der oben genannten drei Gemeinden und Täler bekräftigt worden.
Geschehen im Jahre des Herrn 1291, im Anfange des Monats August.
Siehe auch: Geschichte der Schweiz, Rütli-Schwur, Urkanton.
Text des Bundesbriefs