Borderline-Persönlichkeitsstörung
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) ist eine schwere Persönlichkeitsstörung, die sich durch sehr wechselhafte Stimmungen, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, mangelndes Selbstvertrauen und autoaggressive Verhaltensweisen äußert. Diese Instabilitäten beeinträchtigen oft Familie und Arbeitsleben, langfristige Lebensplanung und das Selbstbild. Der Name Borderline stammt aus Zeiten, als man dachte, es würde sich bei BPS um einen Grenzfall (engl. borderline) zwischen Psychose und Neurose handeln; Menschen mit BPS leiden jedoch an einer Fehlfunktion der Gefühlsregulierung. Obwohl nicht so bekannt wie Schizophrenie oder Bipolare Störung (auch manisch-depressive Krankheit), ist Borderline häufiger und betrifft zwei Prozent der Erwachsenen, hauptsächlich junge Frauen.Bezeichnend sind häufige Selbstverletzungen ohne Selbstmordabsicht, wie auch Selbstmordversuche und in schweren Fällen sogar vollendeter Selbstmord. Patienten mit BPS benötigen oft umfangreiche psychische Betreuung und belegen etwa 20 Prozent der psychischen Behandlungsplätze. Dank moderner Therapien kann jedoch vielen langfristig zu einem eigenständigen und sinnvollen Leben verholfen werden.
Table of contents |
2 Klassifizierung 3 Behandlung 4 Ursachen 5 Geschichte 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks |
Symptome
Während bei einer Person mit Depressionen oder Bipolarer Störung eine Stimmung für mehrere Wochen anhält, kann ein Mensch mit Borderline intensive Schübe aus Angst, Depression oder Wut erleben, die nur wenige Stunden oder bis zu einem Tag andauern. Diese können in Verbindung mit Störungen der Impulskontrolle wie impulsiver Aggression, selbstverletzendem Verhalten und Drogen- oder Alkoholmissbrauch auftreten sowie zu übermäßigem Geldausgeben, Völlerei und riskanten Sexualpraktiken führen.
Sucht ist eine häufige Begleiterscheinung bei Betroffenen. Die meist mit der Sucht einhergehenden selbstzerstörersichen Verhaltensweisen verstärken das Krankheitsbild. Ein fatales Merkmal von Sucht ist die Leugnung der Krankheit vor sich selbst.
Borderliner, die häufig ein sehr gestörtes Selbstbild haben, können in ihrer Verwirrung verstärkt werden. Das Gefühl, sich selbst nicht zugehörig zu sein, kann durch die selbstleugerischen Verhaltensweisen beim Drogenmissbrauch eine Verstärkung erfahren.
Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstörungen können zu häufiger Änderung von Langzeitzielen, Karriereplänen, Berufen, Freundschaften, Geschlechtsidentität oder Werten führen. Häufig berichten die Patienten, dass sie "sich selbst nicht fühlen können". Manchmal empfinden sich Menschen mit BPS als grundsätzlich schlecht oder wertlos. Sie fühlen sich ungerechtfertigterweise unverstanden oder schlecht behandelt, gelangweilt, leer und haben keinen Sinn dafür, wer sie sind. Solche Symptome treten verstärkt auf, wenn sich Menschen mit Borderline einsam oder isoliert fühlen und können dann zu verzweifelten Versuchen führen, Situationen des Alleinseins zu vermeiden.
Die zwischenmenschlichen Beziehungen von Menschen mit einer Borderline-Störung sind oft höchst instabil. Auch intensive emotionale Bindungen schützen nicht davor, dass die Einstellung gegenüber Familienmitgliedern, Freunden oder Liebespartnern plötzlich von Idealisierung (starke Bewunderung und Liebe) in Abwertung (intensive Wut und Hass) umschlägt. Sie können eine sofortige Bindung eingehen und die andere Person idealisieren. Tritt jedoch eine Trennungssituation oder ein Konflikt auf, können sie unerwartet in das andere Extrem wechseln und das Gegenüber wütend beschimpfen.
Auch in Bezug auf Familienmitglieder sind Menschen mit BPS sehr empfindlich auf Ablehnung und reagieren auch auf vergleichsweise kleine Trennungen wie Urlaub, Geschäftsreisen oder einer plötzlichen Planänderung mit Wut und Verzweiflung. Diese Angst verlassen zu werden scheint in Beziehung zu stehen mit Schwierigkeiten sich gefühlsmäßig mit Schlüsselpersonen verbunden zu fühlen, wenn diese nicht anwesend sind, was dann zu einem Gefühl des Verlassenseins oder der Wertlosigkeit führt. Selbstmorddrohungen und -versuche können in Verbindung mit Gefühlen des Verlassenseins oder der Enttäuschung auftreten.
Selbstverletzendes Verhalten bis hin zum Suizid sind symptomatisch für diese Erkrankung. Häufig äussern sich Selbsthass und die Unfähigkeit, die plötzlich auftretenden Spannungen abzubauen sowie ein Gefühl des "sich nicht mehr Spürens" in autoagressivem Verhalten. Die Betroffenen schlagen mit dem Kopf gegen die Wand, sie zerkratzen sich mit den Fingernägeln oder Schneiden sich mit Messern oder Rasierklingen ihre Arme oder das eigene Gesicht auf. Grosse Gefahr der Selbstverletzung/eines Selbstmordes besteht auch zu dem Zeitpunkt einer Hochstimmung.
Das DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) gibt die folgenden neun Kriterien der Borderline-Persönlichkeit an, von denen mindestens fünf erfüllt sein müssen, um eine entsprechende Diagnose stellen zu können:
Die Behandlungsmöglichkeiten für das Borderline-Syndrom haben sich in den letzten Jahren verbessert. Gruppen- und Einzelpsychotherapie sind für viele Patienten zumindest teilweise erfolgreich. In jedem Falle ist eine spezifische und systematische Psychotherapie effektiver als eine "allgemeine Behandlung", wie sie die meisten Patienten immer noch erfahren. In den letzten fünfzehn Jahren wurden zwei neue vielversprechende, psychosoziale Behandlungsmethoden entwickelt: die DBT (engl. dialectical behavior therapy) und die TFP (übertragungsfokussierte Psychotherapie). Beide Verfahren messen der Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten eine besondere Bedeutung bei; die DBT legte jedoch mehr Wert auf verhaltenstherapeutische Techniken, während die TFP psychodynamischer orientiert ist.
Pharmakologische Behandlungen werden häufig entsprechend den spezifischen Zielsymptomen des einzelnen Patienten verschrieben. Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren können bei depressiven und/oder labilen Stimmungen sinnvoll sein. Antipsychotische Medikamente (Neuroleptika) können - unter anderem bei Denkstörungen und Angstreduzierung - Besserung bringen; hier ist zu betonen, dass die modernen, sog. atypischen Neuroleptika den konventionellen vorzuziehen sind, da bei ersteren Nebenwirkungen seltener und vor allem (motorisch und kognitiv) weniger einschränkend sind - insbesondere müssen so genannte Spätdyskinesien, die nicht selten irreversibel sind, nicht befürchtet werden.
Obwohl der Grund des Borderline-Syndroms unbekannt ist, glaubt man, dass sowohl Umwelt- als auch genetische Faktoren Gründe für die Veranlagung für BPS sind. Studien zeigen, dass viele, aber nicht alle BPS-Patienten, eine Vorgeschichte aus Missbrauch, Vernachlässigung oder Trennung im jungen Alter aufweisen. 40 bis 71 Prozent der BPS-Patienten berichten von einem sexuellen Missbrauch, meistens von einer Person, die nicht unmittelbar an der Erziehung beteiligt ist. Forscher glauben, dass BPS aus einer Kombination von individueller Verletzlichkeit gegenüber umgebenden Stress, Vernachlässigung oder Missbrauch als kleines Kind und einer Reihe von auslösenden Ereignissen im jungen Erwachsenenalter verursacht wird. Erwachsene mit BPS sind auch wesentlich häufiger Opfer von Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und anderen Verbrechen. Dies mag sowohl durch schädigende Umgebungen sowie durch Impulsivität und einer ungünstigen Partner- oder Lebensstilwahl bedingt sein.
Erstmals verwendet wurde der Begriff Borderline als Diagnose 1938 von A. Stern, um einen Typ von Patienten zu beschreiben, der mit damaligen psychoanalytischen Methoden nicht zufriedenstellend behandelt werden konnte. Stern arbeitete dabei besonders die Charakteristika der Borderline-Persönlichkeit heraus, im Analytiker ein gutes und allmächtiges Objekt zu sehen, das sich abrupt in ein feindliches verwandelte, sobald der Therapeut nicht vollständig den Erwartungen des Patienten entsprach. In diesem Zusammenhang wurde auch BPS als dissoziative Persönlichkeitsstörung erwähnt. Verbunden damit war eine Störung der Realitätsüberprüfung bis hin zur Übertragungspsychose.
O. F. Kernberg griff die weitestgehend noch undifferenzierte Diagnose von BPS auf und entwickelte zwischen 1967 und 1975 eine umfassende Theorie der Borderline-Persönlichkeitsorganisation. Maßgebliches Kennzeichen eben dieser war eine gestörte Objektbeziehung mit der Aufspaltung in die Extreme "ganz gut" und "ganz böse". Dementsprechend häufig wird von der "schwarz-weißen Welt der Borderline-Persönlichkeit" gesprochen. Der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie zufolge wird die Entwicklung des Kindes von einer "schwarz-weißen" Welt zu einer differenzierteren Objektbewertung bei Borderline-Patienten unterbrochen, so dass die früheren extrem bewerteten Objekte in ihrer Auslegung präsent bleiben und im erwachsenen Leben neu inszeniert werden. Borderline-Patienten können das Gute mit dem Schlechten nicht in Verbindung bringen, weil sie befürchten, dass ihre eigenen "inneren guten Objekte" zerstört werden könnten. Während Kernberg annimmt, dass Wut und Hass die zentralen Affekte bei Borderline-Patienten sind, geht Dulz davon aus, dass dies Angst sei: Eine frei flottierende, diffuse Angst sei der Ausgangspunkt für die übrigen Symptome wie die Art der Borderline-typischen Beziehungsgestaltung.
Resultierend aus der Objektbeziehungsstörung entsteht eine Widersprüchlichkeit des Selbstbildes bis hin zur Identitätsdiffusion, vor allem auch das Vorherrschen von Abwehrmechanismen wie der Persönlichkeitsspaltung, der Projektion und der Verleugnung.
Ebenfalls entwickelten Gunderson und Singer 1975 Kriterien der BPS, welche mit denen Kernbergs erstmals 1980 in das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-III) als Definition der Borderline-Persönlichkeitsstörung eingingen.
Teil der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde BPS erst 1991, und zwar unter dem Begriff "Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typus".
Unumstritten sind allerdings weder der Begriff noch die diagnostischen Kriterien. Besonders der Psychoanalyse wurde unterstellt, mit dem Begriff Borderline die eigentlichen Ursachen der Störung zu verschleiern. Da in den weitaus meisten Fällen traumatische Vor- und Früherfahrungen vorliegen, plädieren mehrere Autoren (Herman, van der Kolk, Reddemann, Sachsse et al.) besonders aus der Traumaforschung dafür, die Borderline-Diagnose durch die Diagnose einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung zu ersetzen.
Der englische Analytiker John Steiner wiederum beschreibt die Borderline-Position als psychischen Rückzugsort, der Zuflucht vor den, den Patienten bedrohenden, Ängsten bietet.
Klassifizierung
Es fällt auf, dass hier vor allem dem Aspekt der Stabilität in Bezug auf Selbstwert, Wahrnehmung aber auch der Impulskontrolle eine große Bedeutung zugemessen wird. Dass unter solchen Vorausetzungen stabile Beziehungen schwer aufrechtzuerhalten sind und Verlassensängste aber auch Wahnvorstellungen auftreten, versteht sich von selbst.Behandlung
Ursachen
Geschichte
Siehe auch
Literatur
Weblinks
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