Bildungstheorie
Bildungstheorie, Denkrichtung der Pädagogik, die auf Bildung (des ganzen Menschen) statt nur auf Ausbildung (in einzelnen, praktisch nützlichen Fertigkeiten) zielt.Maßgeblich begründet von Wilhelm von Humboldt, amalgamiert mit dem Neuhumanismus, dem deutschen Idealismus und dem Werk der für klassisch erklärten Dichter um Johann Wolfgang von Goethe, beherrschte die Bildungstheorie das höhere Schulwesen in Deutschland im gesamten 19. und zu weiten Teilen auch im 20. Jahrhundert.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erstarrte die Bildungstheorie, teils konträr zu Humboldts Absichten, zu einer konservativen Ideologie. Greifbarste praktische Folge war die Überbetonung der altsprachlichen Fächer (Lateinisch, Altgriechisch) gegenüber den modernen Fremdsprachen und den abfällig so genannten "Realien" der Mathematik und Naturwissenschaften; diese konnten sich nur allmählich etablieren, indem auch sie ihren formalen Bildungsgehalt betonten (Georg Kerschensteiner, ...).
Erst im Jahr 1900 setzten Technische Hochschulen, Unternehmer und Militärs gegen den Widerstand von Bildungsbürgern und Philologen durch, dass die Abschlüsse der neusprachlich und/oder mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Realgymnasien und Oberrealschulen dem Abitur des "humanistischen" (altsprachlichen) Gymnasiums als allgemeine Studienberechtigung gleichgestellt wurden. Ebenfalls gegen starken Widerstand bekamen die Technischen Hochschulen 1899 das Promotionsrecht; als Zugeständnis an die Gegner aus den traditionellen Fakultäten wurde festgelegt, dass sich Doktor-Ingenieure (Dr.-Ing.) mit Bindestrich schreiben.
Renaissance der Bildungstheorie in der zweiten Nachkriegszeit:
Wichtige Vertreter der Bildungstheorie im 20. Jahrhunderts waren
- Eduard Spranger
- Herman Nohl
- Wilhelm Flitner
- Erich Weniger
- Theodor Litt
- Wolfgang Klafki
Die kritische Theorie der Frankfurter Schule beschäftigte sich mit dem Ideologiegehalt von Bildungstheorie (siehe auch Ideologiekritik). Wolfgang Klafki griff diese Kritik aus bildungstheoretischer Grundhaltung heraus in seiner "kritisch-konstruktiven Erziehungswissenschaft" auf.