Biedermeier / Vormärz
Der Ausdruck Biedermeier / Vormärz bzw.Restaurationsepoche umfasst die literarische Epoche, die im wesentlichen durch den Biedermeier und den Vormärz von 1815 bis 1848 gekennzeichnet ist.Die Literatur dieser Epoche ist sehr vielfälltig und geprägt durch christliche Erweckungsliteratur und das idyllische Biedermeier auf der einen, die engagierte Literatur des Vormärz und des jungen Deutschland sowie die Agitationsgedichte eines Georg Herwegh auf der anderen Seite bis zu der nihilistischen Erzählung Lenz von Georg Büchner. Trotzdem ist es möglich, die Literatur dieser Epoche als Einheit zu betrachten.
Allen Autoren gemeinsam war, dass sie sich bewusst waren, in einer Umbruchzeit zu leben. Sie hatten die große Französische Revolution miterlebt und 1815 erfahren, dass mit dem Wiener Kongress die alten Zustände weitgehend wieder hergestellt wurden. Aber den Zeitgenossen war klar, dass dies nicht so bleiben würde, sondern dass der Fortschritt sich nicht aufhalten ließ. Kirche und Religion hatten die Revolution scheinbar unbeschadet überstanden, aber Atheismus wurde für die aufgeklärten Intellektuellen zur Möglichkeit. Die Wirtschaft war noch immer am Ideal des Handwerkers orientiert, aber die Zünfte waren in Preußen aufgehoben, die Gewerbefreiheit war eingeführt und die Industrialisierung brach sich Bahn. Die alten politischen Mächte waren restauriert, aber die territorialen Verschiebungen der napoleonischen Ära blieben bestehen und die liberale Bewegung kämpfte für politische Beteiligung des Bürgertums, was schließlich zur Märzrevolution 1848 führte.
Die Dichter empfanden diese Zeit und die Menschen in ihr als zerrissen und zerrissene, zwischen Gegensätzen schwankende Personen, die nicht in der Lage sind, konsequente Entscheidungen zu treffen, sind typisch für die Literatur der Epoche.Immermann beschreibt dieses Lebensgefühl in seiner autobiographischen Schrift Die Jugend vor 25 Jahren als gespalten und doppelt, krankhaft, nervös und lebensschwach. Dies spiegelt sich auch in den Romanfiguren, etwa Mörikes Maler Nolten und dort besonders in dem Freund der Titelfigur, Larken.
Prägend für die Dichter der Epoche war auch die Auseinandersetzung mit Goethe. Sie waren sich bewusst, dass ihre Werke nach dem Höhepunkt der deutschen Klassik nur epigonal sein konnten. August Graf von Platen-Hallermünde und Friedrich Rückert versuchten im Rückgriff auf antike und orientalische Vorbilder, der Dichtung neue Formen zu eröffnen, doch scheinen ihre Werke vor allem artifiziell und vor allem Rückert wurde dann auch gern parodiert. Mörike gelang es dagegen, in seinen Gedichten nach Goethes Vorbild antike Formen produktiv weiterzuentwickeln.
Auch im Drama, etwa bei Franz Grillparzer wirkte das klassische Vorbild Schillers fort. Auf der Gegenseite erfolgte eine bewusste Abwendung von der klassischen Literatur. Bei den Dichtern des Vormärz kam Erlebnislyrik im Grunde nur noch parodistisch vor. Christian Dietrich Grabbe schrieb mit Napoleon oder die Hundert Tage ein Drama der offenen Form und Georg Büchner verfasste mit Dantons Tod ein Dokumentardrama.
In der Prosa aber, die ja schon immer viel freier war, weil sie nicht an antike Traditionen gebunden war, explodierten die Formen förmlich: Reisebeschreibungen, Reportagen, Essais, Charakterskizzen entwickelten sich zu beliebten Gattungen.
Es ging den Dichtern dieser Epoche allerdings nicht nur um die Auseinandersetzung mit den literarischen Formen der Klassik. Sie warfen Goethe auch seine 'olympische' Kälte vor und setzte ihm ihr Engagement entgegen. Heinrich Heine fasste das Gefühl vieler zusammen, als er schrieb, der Tod Goethes bedeute das Ende der Kunstepoche. In diesem Ausspruch ist beides enthalten: Die Distanz zu einer Zeit, wo man Kunst einzig um der Kunst Willen trieb und die gesellschaftlichen Realitäten ignorierte, gleichzeitig aber auch die Trauer über den Verlust der Möglichkeit einer autonomen Kunst