Bauernkriegspanorama
Das Bauernkriegspanorama ist ein monumentales Panoramabild des Leipziger Malers und Kunstprofessors Werner Tübke. Es befindet sich in einem eigens dafür errichteten Gebäudekomplex, dem Panorama-Museum, auf dem Schlachtberg bei der thüringischen Kleinstadt Bad Frankenhausen am Fuße des Kyffhäusergebirges. Das Werk entstand in den Jahren 1976 bis 1987, ursprünglich zum Gedenken an den Deutschen Bauernkrieg und den Bauernführer Thomas Müntzer.
Der zylindrische Rundbau aus Betonelementen, der das Gemälde enthält, ist ca. 18 m hoch und hat einen Außendurchmesser von knapp 44 m.
Die Leinwand (und damit das Bild selbst) ist 123 m lang und 14 m hoch. Sie wog unbemalt ungefähr 1,1 Tonnen und ist zwischen einem oberen und einem unteren Stahlring mit je knapp 40 m Durchmesser gespannt. Gewebt wurde sie in einem Stück in der damaligen UdSSR. Ein ortsansässiger Autosattler nähte die beiden Enden passgenau zusammen und präparierte die Längsseiten für die Ringe. Nach der Aufspannung versah ein sowjetisches Spezialistenteam die Leinwand mit einer Grundierung nach einem alten russischen Geheimrezept.
Tübke füllte die 1722 Quadratmeter messende weiße Fläche mit mehr als 3000 einzelnen Figuren. Die größten davon sind über 3 Meter hoch.
Der Maler selbst musste die Arbeiten zeitweilig unterbrechen und seinen Kollegen die Ausführung überlassen, weil die Überanstrengung eine Entzündung im Arm hervorgerufen hatte.
Das Bild ist durch einen umlaufenden Graben vom Besuchersaal getrennt, um Berührungen und Beschädigungen zu verhindern. Es wird bei den Führungen von einer größeren Zahl gedimmter Scheinwerfer beleuchtet, während der Saal selbst im Halbdunkel bleibt. So entfaltet sich eine beeindruckend plastische Wirkung der farbenprächtigen Vielfalt.
Das Werk zieht jährlich ca.120 000 Besucher an, so viel wie wenige andere Gemälde in Deutschland.
So überwältigt der Besucher bei der Erstbetrachtung ist, so ratlos steht er vor der allein kaum zu bewältigenden Deutung der auf ihn einstürzenden Flut von Allegorien, Szenen und Personen. Eine kompetente Interpretation ist unverzichtbar, um das Werk als Gesamtdarstellung einer ganzen Epoche und darüber hinaus zeitlose Verbildlichung menschlicher Beziehungen und Emotionen zu erfassen.
Tübke hat in seinem Stil eigene Techniken mit unverkennbaren Anleihen an die Alten Meister und (speziell für dieses Monumentalwerk) zeitgenössischer Darstellungsweise, wie sie in alten Holzschnitten überliefert ist, verbunden. In mehrjähriger Vorbereitung hat er sich beim intensiven Quellenstudium in die Vorstellungswelt und künstlerische Darstellung dieser Epoche zwischen ausgehendem Mittelalter und früher Neuzeit eingearbeitet.
Obwohl es größere Rotunden gibt, gilt Tübkes Bild als einzigartig, da es nicht, wie die anderen, eine bildhaft-dokumentarische Momentaufnahme in der Art eines typischen "Schlachtengemäldes" ist, sondern als metaphorische Gesamtdarstellung in einem Panorama als Prototyp eines eigenen Genres gelten kann.
Die Zeit drängte, es war 1975. Tübkes "Ultimatum", das von jedem weniger bedeutenden Künstler der DDR kommend zu dessen Verhängnis hätte werden können, wurde weitgehend akzeptiert.
Wenige Wochen später zwang das Volk in einer seine Führung (und damit den Auftraggeber des Bildes) dazu, selbst nur noch Geschichte zu sein.Daten
Name
Der "offizielle" Titel des Bildes lautet Frühbürgerliche Revolution in Deutschland.Auftraggeber
Offizieller Auftraggeber war das Kulturministerium der ehemaligen DDR, das damit einen Beschluss des SED-Politbüros umsetzte. Entstehungszeit
Einschließlich der Vorarbeiten dauerte die Ausführung fast 12 Jahre, von 1976 bis 1987. Das eigentliche Gemälde wurde von Tübke als "Modellfassung" im Maßstab 1:10 von 1979 bis 1982 auf mehreren Holztafeln gemalt und anschließend maßstabgerecht auf die Panoramaleinwand übertragen. Dabei waren neben Tübke 5 weitere Maler beteiligt, die in einjähriger Vorbereitung lernten, Tübkes Stil und Technik exakt zu kopieren. Technische Daten, Zahlen und Fakten
Bildmotiv
Entgegen den Intentionen der Auftraggeber (siehe Geschichte) schuf Tübke das gewaltige Abbild einer ganzen Epoche, der Renaissance, das in der Literatur häufig mit "teatrum mundi" (Welttheater) umschrieben wird. Er beschränkte sich dabei keineswegs auf eine zeitlich oder räumlich genau bestimmbare Momentaufnahme, geschweige denn die getreue Wiedergabe realer historischer Ereignisse, noch auf die schwerpunktmäßige Betonung einzelner Aspekte.
Neben den durchaus auch auftretenden historischen Figuren wie Müntzer, Luther und anderer hat der Maler eine Vielzahl allegorischer Anspielungen auf Ereignisse (auch anderer Epochen), vor allem aber auf ureigene menschliche Ängste, auf Aberglauben, apokalyptische Vorstellungen und biblische Themen in seiner gewaltigen suggestiven Bildersprache visualisiert. Unter anderem hat er sich selbst, als angesichts der schier übermenschlichen Aufgabe von Selbstzweifeln geplagten Menschen, an einigen Stellen verewigt und damit den Entstehungsprozess seines Werkes dokumentiert. Geschichte
Politischer Hintergrund
Anfang der Siebziger Jahre fand mit dem Ende der Ulbricht-Ära auch ein Wandel der kulturpolitischen Doktrin der SED statt. Mehr Vielfalt und Akzeptanz auch nicht ausschließlich dem Realsozialismus verplichteter Kunst sollte einerseits das internationale Ansehen heben, andererseits auch die Vereinnahmung historischer Gestalten und Ereignisse als "revolutionäre" Vorgänger des "ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden" erleichtern, deren Vermächtnis nun durch die DDR als natürlicher Erbe verwirklicht sei. Historischer Hintergrund
Auch der rebellische Prediger und Bauernführer Thomas Müntzer wurde zum bedeutendsten Frührevolutionär Deutschlands stilisiert, die Bauernaufstände des frühen 16.Jahrhunderts zur "frühbürgerlichen Revolution" erhoben. Müntzer, der anfangs die gleichen Ziele wie Martin Luther verfolgte, ging bald auf Distanz zu diesem und nannte den Reformator in einer Schmähschrift "das geistlose sanftlebende Fleisch in Wittenberg". Luther, der gewaltsame Umsturzversuche als gotteslästerlich empfand, antwortete 1525 mit einem Pamphlet "gegen die mörderischen Rotten der Bauern". Im gleichen Jahr wurde einer der letzten großen Bauernaufstände am Fuße des Kyffhäusers blutig niedergeschlagen. Müntzer wurde gefangen genommen, gefoltert und hingerichtet. Die Idee
Vor diesem Hintergrund plante die SED im Hinblick auf den 450. Jahrestag jenes Ereignisses für 1975 ein groß angelegtes Gedenkjahr, um ihrem Alleinspruch auf Müntzers Erbe gebührenden Ausdruck zu verleihen.
Auf einem Plenum der SED 1972 wurde erstmals der offizielle Antrag eingebracht, auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen eine Panorama-Gedenkstätte zum Andenken an die dort geschlagene Bauernschlacht und ihren Anführers Müntzer zu errichten.
Der SED-Führung schwebte ein monumentales, heroisierendes Schlachtengemälde in der Tradition der typischen Gigantomanie kommunistischer Heldenverehrung vor.
Nach mehrjährigen Diskussionen, fachlichen Expertisen durch Historiker und Kunstsachverständige, Änderungsvorschlägen, erneuten Debatten usw. entschied der beauftragte Kulturminister, den Streit zu beenden und entgegen den Ratschlägen der Kunstfachleute nun doch ein von diesen abgelehntes Panoramabild zu beauftragen - der zugehörige Bau war bereits in Arbeit. Das Projekt
Für ein solches Vorhaben kamen nur die besten verfügbaren Künstler in Betracht. Konkret der international renommierte Werner Tübke wurde als geeignet erachtet.
Tübke nahm den Auftrag nach einiger Bedenkzeit an, stellte aber unmissverständliche Bedingungen: Er bliebe der einzige Auftragnehmer und er würde kein dokumentarisch korrektes Bilddokument einer Schlacht schaffen, sondern ein künstlerisches Monumentalwerk mit umfassender Verallgemeinerung. Desweiteren habe ihm niemand ins künstlerische Konzept und seine Ausführung reinzureden. Die Ausführung
1976 ließ sich der Maler als Rektor der Leipziger Kunsthochschule beurlauben und begann, parallel zum intensiven Quellenstudium der Renaissancezeit, erste Skizzen und kleinere Bilder als Entwürfe anzufertigen.
1979 folgte, wie konzipiert und im Vertrag auch fixiert, die Arbeit an der 1:10-Modellfassung, der eigentlichen Originalversion. Das auf 5 Holztafeln von je 2,46 m Länge und 1,39 m Höhe gemalte Werk befindet sich heute in Berlin.
1982, während die bereits 1978 angelieferte Leinwand aufgespannt und präpariert wurde, waren insgesamt 15 Künstler mit der Durchzeichnung der Konturen aus der Modellfassung auf 900 Quadrate aus Klarsichtfolie, die anschließend fotografiert wurden, beschäftigt.
Die Fotos wurden mit beweglichen Auflichtprojektoren im Maßstab von 1:10 auf die Leinwand projiziert und die vergrößerten Konturenzeichnungen mit einer blassen Temperafarbe festgehalten. Das dauerte 3 Monate.
Die 15 Künstler absolvierten im folgenden Jahr eine Art Training, bei dem sie Tübkes Stil exakt kopieren lernen und sich zudem durch Übertragung von Vorstudien auf immer größere Flächen die Technik für die Großleinwand aneignen sollten. 5 Maler wurden schließlich vom Meister ausgewählt.
1983 stießen sie nach und nach zu Tübke, der inzwischen schon eine kleinere Fläche als Referenz allein bemalt hatte.
Auf fahrbaren Gerüsten arbeiteten die 6 Maler über 4 Jahre lang in Schichten und auch am Wochenende.
Im Herbst 1987 setzte Werner Tübke seine Signatur auf das fertige Werk.Eröffnung
Im September 1989 wurde die Gedenkstätte „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ mit dem monumentalen Panoramabild des Nationalpreisträgers der DDR, Prof. Werner Tübke offiziell eröffnet.
Schon kurz nach der Errichtung hatte der zugehörige Rundbau vom Volksmund den respektlos-verächtlichen Spitznamen „Elefantenklo“ erhalten. Das millionenschwere Prestigeobjekt erschien der Bevölkerung angesichts des sich ständig verschärfenden Mangels in allen Lebensbereichern als purer Hohn und Zynismus der Herrschenden. Diese Kritik erstreckte sich natürlich auch auf den – teilweise ungerechtfertigt, teils berechtigt – so titulierten „Staatskünstler“ von Gnaden der SED.