Baldassare Castiglione
Baldassare Castiglione (* 6. Dezember 1478 in Casatico bei Mantua; † 7. Februar 1529 in Toledo, Spanien) war Höfling, Diplomat und Schriftsteller.
Table of contents |
2 Der 'Cortegiano' als 'Uomo Universale 3 Der 'Cortegiano' und der 'Principe' - Ideal und Realität der zeitgenössischen Höfe Italiens 4 Literatur 5 Weblinks |
Sein 'Libro del Cortegiano' gehört neben Ariosts 'Orlando Furioso' und Machiavellis 'Il Principe' zu den bedeutendsten Leistungen der italienischen Literatur der Renaissance.
Castiglione war der Sohn einer Adelsfamilie und erfuhr eine umfassende Erziehung durch die Humanisten Giorgio Merula und Demetrius Chalcondyles sowie am Hof Ludovico Sforzas in Mailand. Er stand im Dienst bedeutender Herrscher wie Francesco Gonzagas (Markgraf von Mantua) oder Guidobaldo da Montefeltros (Herzog von Urbino) und wurde 1513 als Botschafter des neuen Herzogs von Urbino, Francesco Maria della Rovere, an den päpstlichen Hof nach Rom gesandt. Er war mit Raphael befreundet, der ihn in einem berühmten Porträt (1516, heute Louvre, Paris)als feinsinnigen Hofmann darstellte. Castiglione erarbeitete gemeinsam mit Raphael ein Memorandum, das die Erhaltung der römischen Antiken zum Gegenstand hatte. Vier Jahre vor seinem Tod ging er als päpstlicher Nuntius nach Spanien, wo er starb.
'Il Libro del Cortegiano', das 'Buch vom Hofmann', ist in der Zeit zwischen 1508 und 1516 entstanden.
In einem Dialog diskutieren die Freunde Pietro Bembo, Ludovico da Canossa, Bernardo da Bibbiena und Gasparo Pallavicino über die Qualitäten des idealen Hofmanns und der vollendeten Hoffrau. Zwei Frauen, die Herzogin Elisabetta Gonzaga und ihre Schwägerin Maria Pia, nehmen den Vorsitz ein. Castiglione hat die Szene der Konversation an den ihm wohlbekannten Hof von Urbino versetzt.
Grazia (Anmut), misura (Ausgewogenheit), ingenio (Geist) und arte (Kunst) sind immer wieder auftauchtende Kernbegriffe. Leitmotivisch werden dabei folgende Merkmale des idealen Hofmannes gefordert:
Leben und Werk
Der Text lehnt sich bewusst in Form und Inhalt an Werke antiker Autoren wie Schriften Ciceros ('De oratore') und Platos ('Politeia') an. Schon bei seiner Veröffentlichung 1528 war das Buch über den Hofmann ein Publikumserfolg. Es wurde im sechzehnten Jahrhundert ins Spanische, Französische, Lateinische und Deutsche übersetzt. Sir Thomas Hoby schuf in der Nachfolge von Castigliones 'Cortegiano' die Abhandlung über 'The Courtyer' (1561) und Lukasz Górnicki beschrieb das Ideal des polnischen Hofmanns in 'Dworzanin polski' (1566).
Castigliones Hofmann ist universell gebildet und vielseitige Fähigkeiten.
Die Wiederentdeckung der antiken Autoren sowie "die Enteckung der Welt und des Menschen", wie Jacob Burckhardt es in seiner 'Kultur der Renaissance in Italien'(1860) formulierte, führte zu einem geradezu leitbildhaften Idealtypus vom Menschen: dem allseits gebildeten und sich ständig perfektionierenden 'uomo universale'.
Exemplarisch sahen schon die Zeitgenossen diese Idee in Leon Battista Alberti (1404-72) und Leonardo da Vinci (1452-1519) verkörpert. Die Natur des Menschen ist grundsätzlich dynamisch und auf ständige Erweiterung seines von der Natur gegebenen Potentials angelegt, das Überschreiten der Grenzen sowie die Entwicklung hin zu einem gebildeten, im höfischen Umfeld, in Sport und Krieg vollendeten Menschen wird geradezu als Pflicht des Menschen betrachtet.
Alberti war Schriftsteller, Mathematiker, Architekt und Maler. Er war ebenso stolz auf seine Reitkünste wie auf seine berühmte Schrift 'De re aedificatoria' (1452). Leonardos Genius revolutionierte sogar die Anatomie und das Ingenieurswesen seiner Zeit. Während Alberti aber nach Verschiedenartigkeit seiner Interessen und zugleich Vervollkommnung in jedem Aspekt strebte, war Leonardos Sicht durchaus aspekthafter und fragmentarischer, dabei zugleich auch skeptischer und tiefer.
Gerade Alberti strebte danach in allen von ihm verfolgten Interessen die Balance zwischen Theorie und Praxis herzustellen und dadurch Vollständigkeit seiner Erkenntnis zu erreichen. Auch der Hofmann Castigliones sollte harmonisch und ausgewogen sein. So wird zugleich kriegerische Tüchtigkeit und kulturelle Bildung gefordert, höfische Anmut und Schlagfertigkeit, Kühnheit und edle Gesinnung werden beim cortegiano vorausgesetzt. Der Hofmann findet seinen Schwerpunkt in der goldenen Mitte, der positiv verstandenen 'mediocrità'.
Jacob Burckhardt stellt zutreffend in Frage, ob der Corteggiano den Hofmann und seine vollendete Bildung am Hof meint oder nicht vielmehr den höfischen Menschen als ein verbindliches Ideal aller Zeitgenossen aufstellt: "Alles wohl erwogen, könnte man einen solchen Menschen an keinem Hof brauchen, weil er selber Talent und Auftreten eines vollkommenen Fürsten hat und weil seine ruhige und unaffektierte Virtuosität in allen äußeren und geistigen Dingen ein zu selbstständiges Wesen voraussetzt."
Indem der corteggiano das Möglichkeitspotential des Menschen reflektiert und Universalität als hohe moralische Verpflichtung fordert, werden Gedanken antiker Autoren wie Cicero wiederaufgenommen. Für die stoischen Philosophen war ein reiner Machtstaat und der reine Machtmensch auf das Niveau seiner tierischen Natur begrenzt.
Niccolò Machiavellis 'Il Principe' (1513) findet entgegen dem 'Corteggiano' Castigliones seine Größe gerade in dem Ignorieren ethisch-moralischer Implikationen. Beide Konfigurationen - Machiavellis Fürst und Castigliones Hofmann - stellen beide letztlich zwei Seiten einer Medaille dar, indem bei Castiglione einerseits die Mögichkeiten der vollendeten Kultiviertheit der italienischen Höfe als Ideal formuliert wird und Machiavelli gleichzeitig eine zynische Sicht auf die Pervertiertheit und die moralische Zügellosigkeit der italienischen Höfe und des Machtmenschen der Renaissance wirft.Der 'Cortegiano' als 'Uomo Universale
Der 'Cortegiano' und der 'Principe' - Ideal und Realität der zeitgenössischen Höfe Italiens