Augusto Pinochet
General Augusto José Ramón Pinochet Ugarte (* 25. November 1915 in Valparaíso) ist ein chilenischer General und Politiker. Von 1973 bis 1990 regierte er Chile mit diktatorischen Mitteln, nachdem er maßgeblich am Putsch gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende beteiligt war.
Pinochet wurde in bescheidenen Verhältnissen geboren. Nach dem Schulabschluss ging er an die chilenische Militärakadamie und schlug die Offizierslaufbahn ein. Mit 21 Jahren wurde er 1936 Leutnant. Pinochet heiratete 1943 Lucía Hiriart Rodríguez, mit der er mehrere Kinder hat. Im Jahr 1953 wurde er zum Major und machte einen Universitäts-Abschluss im Fach Jura.
Nach kurzer Lehrtätigkeit an der Militärakademie und einem Aufenthalt in Ecuador diente er 1956 als Militärattaché an der chilenischen Botschaft in Washington, D.C. Ab 1965 besuchte Pinochet mehrfach Schulungen der US Army; man vermutet, dass seine engen Verbindungen zu hochrangigen US-Militärs und dem Geheimdienst CIA aus dieser Zeit stammen.
Eduardo Frei ernannte ihn kurz vor Ende seiner Amtszeit 1970 zum Brigadegeneral, sein Nachfolger Salvador Allende übertrugt ihm im Januar 1971 das Kommando über die Heeresgarnison in Santiago de Chile und beförderte ihn zum Divisionsgeneral.
Am 23. August 1973, einen Tag nachdem der Kongress die Regierung ultimativ zum Rücktritt aufgefordert hatte, ernannte Präsident Allende Pinochet als Nachfolger des zurückgetretenen Generals Carlos Prats zum Oberbefehlshaber des Heeres (Comandante en Jefe del Ejército).
Am 11. September 1973 bombardierten Kampfjets den Präsidentenpalast Moneda. Es kam zum Sturz und Tod des demokratisch gewählten Päsidenten Allende. Kurze Zeit später übernahm eine Militärjunta die Macht und ernannte Pinochet zum Präsidenten Chiles.
Anders als die meisten anderen südamerikanischen Staaten hatte Chile ein lange demokratische Tradition, in der es keine Versuche der Machtübernahme durch das Militär oder andere Kräfte gab. Doch ein großer Teil der Bevölkerung erwartete zu dieser Zeit eine Intervention des Militärs, da das in Allendes Wirtschafts- und Außenpolitik begründete von den USA verhängte und militärisch durchgesetzte Wirtschaftsembargo sowie Streiks und Anschläge der Opposition das Land in ernsthafte Schwierigkeiten brachten. Pinochet versprach „keine Nation der Arbeiter, sondern eine Nation der Unternehmer“ zu bilden.
Gleich nach seiner Amtsübernahme ging Pinochet mit großer Härte gegen die bisherige Regierung und ihre Unterstützer vor. Das Militär verhaftete tausende tatsächlicher oder vermeintlicher Sympathisanten Allendes. In den Gefangenenlagern der Armee und der Carabineros herrschten in diesen Tagen Menschenrechtsverletzungen, Folter und Mord. Zwischen 2.500 und 80.000 Menschen wurden getötet oder verschwanden spurlos. Die genaue Zahl lässt sich heute nicht mehr exakt ermitteln. Das brutale Regime löste ein Massenflucht aus Chile aus.
Die Verfolgung von Oppositionellen in Chile griffen auf das Ausland über, als im September 1976 der ehemalige chilenische Botschafter in den USA, Orlando Letelier, durch eine Autobombe getötet wurde. Bereits zwei Jahre zuvor starb General Carlos Prats, Pinochets Vorgänger als Armeebefehlshaber, auf dieselbe Weise in Buenos Aires. Für beide Anschläge macht man heute den chilenischen Geheimdienst verantwortlich.
Parallel zu seinen repressiven politischen Maßnahmen leitete Pinochet eine Reihe von neoliberalen Wirtschaftsreformen ein. Pinochet begrenzte die öffentlichen Ausgaben und forcierte die Reprivatisierung der Industrie. Er holte die so genannten „Chicago boys“, unter ihnen Milton Friedman als Berater ins Land – Wirtschaftswissenschaftler die an der Universität von Chicago studiert hatten. Die Wiedererstarkung der chilenischen Wirtschaft wurde auch mit dem umstrittenen Begriff "Wunder von Chile" bezeichnet.
Mit der ökonomischen Liberalisierung erlangte Chile bemerkenswerte Wachstumszahlen, aber die sozialen Gegensätze im Land nahmen dadurch weiter zu. Im Mai 1983 organisierte die Opposition deshalb Demonstrationen und Streiks, was wiederum zu erheblichen Auseinandersetzungen mit den Sicherheitstruppen führte. Im September 1986 wurde durch „Manuel Rodriguez’ Patriotische Front“ (FPMR) ein Mordversuch auf Pinochet unternommen, bei dem er jedoch nur leichte Verletzungen davontrug.
1978 bestätigte eine Volksabstimmung die Regierung Pinochets im Amt, die aber nach Ansicht ausländischer Beobachter nicht die Kriterien einer demokratischen Wahl erfüllten: Unter den Bedingungen der Militärdiktatur kamen die Gegner Pinochets nicht zu Wort, und die Wahlzettel sollen so dünn gewesen sein, dass die Bedingungen einer geheimen und freien Wahl nicht erfüllt waren. 75% der abgegebenen Stimmen unterstützten die Regierung.
1980 stellte die Regierung Pinochet eine neue Verfassung (Carta fundamental) zur Abstimmung, die mit Zwei-Drittel-Mehrheit unter ähnlichen Bedingungen vom Volk verabschiedet wurde. Pinochet konnte nun mit Rückendeckung der Verfassung bis 1989 im Amt bleiben und hatte zugleich erhebliche Kompetenzen zugesprochen bekommen.
Entsprechend der Verfassung von 1980 wurde im Oktober 1988 eine Volksabstimmung durchgeführt, bei der gefragt wurde, ob Pinochet der einzige Kandidat bei den Präsidentenwahlen von 1989 sein dürfte. Dabei überwogen jedoch die „Nein“-Stimmen die Mehrheit, worauf es ein Jahr später zu freien Wahlen kam. Pinochet wurde am 11. März 1990 von Patricio Aylwin als Präsident abgelöst. Doch gemäß der von ihm maßgeschneiderten Verfassung konnte er Senator auf Lebenszeit bleiben und blieb außerdem Chef der Streitkräfte.
Ende September 1998 reiste Pinochet nach Großbritannien als Senator und Mitglied des Verteidigungsausschusses ein. Eine Woche zuvor war das britische Außenministerium wie immer davon informiert worden. Pinochet ließ sich in Großbritannien seinen kranken Rücken behandeln und traf sich mit der britischen Ex-Premierministerin Margaret Thatcher, die ihm freundschaftlich verbunden war.
Der spanische Untersuchungsrichter Báltasar Garzón hatte schon seit längerem gegen Pinochet wegen Völkermord, Staatsterrorismus und Folter ermittelt, da auch spanische Staatsbürger unter den Opfern der Militärdiktatur waren. Während Pinochets Aufenthalt im London stellte Spanien daher ein Auslieferungsbegehren, aufgrund dessen Pinochet am 16. Oktober von der britischen Polizei in London verhaftet wurde.
Die Verhaftung löste in Chile Unruhen aus. Das Land war tief gespalten in Pinochet-Gegner und -Anhänger. Präsident Eduardo Frei Ruiz-Tagle forderte die Freilassung Pinochets, angeblich um ihn vor ein chilenisches Gericht zu bringen.
Auch die Schweiz hatte ein Auslieferungsgesuch gestellt. Das spanische Gesuch hatte Priorität, doch wenn Spanien es zurückgezogen hätte, wäre Pinochet für das Verschwinden des Schweizers Alexi Jaccard eventuell an die Schweiz ausgeliefert worden. Alexi Jaccard wurde – mutmaßlich im Auftrag Pinochets – in Argentinien verhaftet und ist dort „verschwunden“.
Seine Haft in England verbrachte Pinochet unter sehr komfortablen Bedingungen unter Hausarrest. Er durfte unbegrenzt Besuch empfangen; unter anderem ließ er zu Weihnachten extra einen Priester aus Chile einfliegen.
Das britische Urteil, ob Pinochet nach Spanien ausgeliefert werden sollte, oder nicht, folgte nicht sofort. Es gab ein langes Tauziehen zwischen England, Spanien, Chile und weiteren Ländern, die ein Auslieferungsgesuch gestellt hatten. Das waren neben der Schweiz auch Frankreich und Belgien.
Im November 1998 kam es zu einem ersten Urteil, wonach Pinochet die Immunität verloren hätte. Dieses Urteil wurde wegen möglicher Befangenheit eines der Richter aufgehoben, der Mitglied der Menschenrechtsorganisation Amnesty International war, die als Nebenklägerin gegen Pinochet auftrat. In einer zweiten Verhandlung im März 1999 entschied das Gericht, dass Pinochet keine diplomatische Immunität besitze. Jedoch dürfte er nicht für Taten vor 1988 belangt werden, da Großbritannien erst 1988 einer Anti-Folterkonvention beigetreten ist. Außerdem wurden viele Anklagepunkte der spanischen Justiz verworfen.
Im April 1999 entschied der britische Justizminister Jack Straw, dass Pinochet an Spanien ausgeliefert werden dürfe. Die chilenische Regierung bat London daraufhin, Pinochet aus humanitären Gründen freizulassen. Die Regierung in Santiago führte das hohe Alter und den schlechten Gesundheitszustand Piniochets als Argumente an. Auch die USA forderte die Freilassung Pinochets, angeblich aus Angst vor weiteren Enthüllungen über die Verwicklung Amerikas in die Menschenrechtsverletzungen unter Pinochets Herrschaft. Ebenso machte sich der Vatikan für eine Freilassung des Katholiken Pinochet stark.
Nach Prüfung der Gesundheit Pinochets wurde ihm eine schwere Erkrankung attestiert. Er wurde auf Entscheidung von Jack Straw am 2. März 2000 freigelassen und kehrte sofort nach Chile zurück.
Das chilenische Militär und seine Anhänger empfingen ihn begeistert, seine Gegner, Menschenrechtsgruppen und die Angehörigen der Opfer von Pinochets Diktator antworteten mit Protesten und Mahnwachen.
Es ist innerhalb von Chile juristisch fast aussichtslos, Pinochet noch zu belangen. Der chilenische Kongress stimmte Ende März 2000 einer Verfassungsnorm zu, die dem ehemaligen Diktator endgültig immerwährende Immunität zusichert. Kritiker werfen der Regierung Chiles auch vor, sie hätte Angst, Pinochet zum Märtyrer zu machen. Dies würde die extreme Rechte stärken und für Unruhe beim Militär sorgen, das in Chile nach wie vor ein Machtfaktor ist, den die Regierung nicht unterschätzen darf.
Im Juni 2000 stimmten von den 22 Richtern eines Berufungsgerichts in der Hauptstadt Santiago 13 für die Aufhebung der Immunität. Das Urteil betrifft allerdings nur Pinochets Immunität als Senator auf Lebenszeit. Er wird weiterhin durch ein Amnestiegesetz für mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen vor Strafverfolgung geschützt.
Nach Pinochets Rückkehr in seine Heimat gelang es dem Untersuchungsrichter Juan Guzmán Tapia im Januar 2001, ein Verfahren gegen ihn einzuleiten, das jedoch wegen Altersdemenz des Angeklagten eingestellt wurde.
Die Pinochet-Stiftung verbreitete Ende 1998 eine Erklärung General Pinochets, er habe niemals jemandem den Tod gewünscht, und er empfinde Schmerz für jeden Chilenen, der in diesen Jahren sein Leben verloren habe. Er rechtfertigt seinen Militärputsch gegen Salvador Allende damit, dass die Bevölkerung an die Kasernentore klopfte. Es sei keineswegs eine Musterdemokratie zerstört worden. Vielmehr sei Chile davor bewahrt worden, in die Abhängigkeit der Sowjetunion zu geraten. Er habe das Land vor einem Bürgerkrieg gerettet. Diejenigen, die damals für alle Übel verantwortlich gewesen seien und den Marxismus gepredigt hätten, würden sich heute zu seinen Richtern aufschwingen.
Nach seiner sensationellen Verhaftung sagte Pinochet selber: „Die Geschichte lehrt uns, dass Diktatoren nie ein gutes Ende finden.“
Biographie bis 1973
Umsturz von 1973
Wirtschaftliche Folgen
Die Verfassung von 1980
Rückkehr zur Demokratie
Haft in Großbritannien 1998 bis 2000
Juristische Aufarbeitung in Chile nach 2000
Pinochets Sichtweise
Zitate zum Fall Pinochet
Weblinks
siehe auch: Geschichte Chiles, Salvador Allende, Unidad Popular
Vorgänger: Salvador Allende | Chilenische Präsidenten | Nachfolger: Patricio Aylwin |