August Schleicher
August Schleicher (* 19. Februar 1821 in Meiningen; † 6. Dezember 1868 in Jena) war ein deutscher Sprachwissenschaftler; gilt als Begründer der Stammbaumtheorie in der vergleichenden Sprachforschung und zusammen mit Franz Bopp als Wegbereiter der Indogermanistik.August Schleicher erforschte die Zusammenhänge der indoeuropäischen Sprachfamilie. Er definierte Sprache als natürlichen Lebensbestandteil, der - ähnlich einem biologischen Organismus - den Gesetzmäßigkeiten der Evolution unterliegt. Die vergleichende Sprachforschung sah er als Teil der Naturwissenschaften. Auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse zeichnete er im August 1853 den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen in einem der ersten "Stammbäume" nach, die in der Geschichte der Sprachwissenschaft und der Biologie (z. B. von Charles Darwin) veröffentlicht wurden. Als sein Hauptwerk wird das Compendium der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen angesehen, in dem er u. a. die indoeuropäische Ursprache rekonstruiert.
Table of contents |
2 Bibliografie 3 Literaturverweise 4 Weblinks |
August Schleicher wurde in der thüringischen Residenzstadt Meiningen als Sohn des Arztes und Naturheilkundlers Johann Gottlieb Schleicher (1793-1864) geboren. Sein Vater war im Sommer 1815 als Student in Jena an der Gründung der ersten Burschenschaft beteiligt, die damals für demokratische Reformen und gegen die feudale Kleinstaaterei in Deutschland agitierte. 1822 zog die Familie von Meiningen nach Sonneberg um, wo sein Vater als Amtsarzt tätig war. Der fortschrittlich gesinnte Vater und die musikalisch talentierte Mutter achteten auf eine gute Schulbildung des sprachbegabten Jungen. Seine Kinder- und Jugendjahre verbrachte August Schleicher in Sonneberg, von wo er ab dem 16. Lebensjahr das Gymnasium Casimirianum in Coburg besuchte. Sein Professor am Gymnasium kam zu der Einschätzung, er sei wegen seiner weiterreichenden Interessen nicht gut für ein Sprachstudium geeignet und solle besser Theologie studieren.
Diesem Rat folgend begann August Schleicher 1840 in Leipzig mit dem Theologiestudium. Nach dem ersten Semester wechselte er nach Tübingen und kam mit der Philosophie Hegels in Berührung. Hegelianer des Tübinger Stifts wie David Strauß, Jakob Reiff, Ferdinand Baur oder Friedrich Vischer lehrten dort. So befasste sich Schleicher mit philosophischen Fragen, kam von der Theologie ab und verlegte sich als Schüler Heinrich Ewalds auf das Studium orientalischer Sprachen. In kürzester Zeit erlernte er außer Hebräisch auch Sanskrit, Arabisch und Persisch. Nur widerwillig stimmte sein Vater 1843 dem Wechsel an die Universität nach Bonn zu. Dort studierte er klassische Sprachen, wurde durch Philologen wie Friedrich Ritschl und Friedrich Welcker in die Sprachwissenschaft Wilhelm von Humboldts eingeführt und beendete 1846 das Studium mit der Promotion.
Nach dem Studium kehrte August Schleicher nach Thüringen in seine Heimatstadt Sonneberg zurück und forschte zunächst als Privatgelehrter auf sprachwissenschaftlichem Gebiet. In Bonn war Prinz Georg von Sachsen-Meiningen, der sich ebenfalls als Student dort aufgehalten hatte, auf ihn aufmerksam geworden. Der Erbprinz hatte August Schleicher nicht nur seine Freundschaft angeboten, sondern ihm auch ein großzügiges Stipendium verschafft, das ihm von 1848 bis 1850 ausgedehnte Reisen und längere Forschungsaufenthalte in Paris, London und Wien ermöglichte. Während der Auslandsreisen arbeitete er als Korrespondent für die augsburgische Allgemeine Zeitung und die Kölnische Zeitung. In seiner Berichterstattung über die politischen Ereignisse von 1848 aus Paris und später aus Wien zeigte er offene Sympathie für die liberal-demokratische Fraktion der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche. Damit geriet er ins Visier der Habsburger Polizei, die ihn während seiner Aufenthalte in Wien und Prag über mehrere Jahre bespitzelte. 1849 reiste er nach Prag um sich mit slawischen Sprachen zu befassen und Tschechisch zu erlernen. Neben seiner Korrespondententätigkeit hatte August Schleicher einige bedeutende sprachwissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht, so dass ihn die Prager Universität 1850 zum außerordentlichen Professor für Klassische Philologie und 1853 zum Ordinarius für vergleichende Sprachforschung, Deutsch und Sanskrit berief.
Während seiner Professur in Prag konzentrierte er sich auf slawische Sprachen und das Litauische, welches in der Indogermanistik eine Sonderrolle einnimmt. 1852 erhielt er ein Stipendium der Wiener Akademie der Wissenschaften für eine Forschungsreise nach Ostpreußen. Dort hielt er sich ein halbes Jahr auf, erlernte in Gesprächen mit Litauern deren Sprache fließend zu sprechen und sammelte eine Menge Material für das Handbuch der litauischen Sprache, das er 1855/56 in Prag veröffentlichte. Außer der wissenschaftlichen Bedeutung hat dieses Handbuch bis heute unschätzbaren Wert für die sprachliche und kulturelle Selbstbestimmung der Litauer. 1856 zog sich August Schleicher wahrscheinlich aus gesundheitlichen Gründen für über ein Jahr nach Sonneberg zurück. Dort kurierte er sein Lungenleiden und betrieb gleichzeitig sprachwissenschaftliche Feldforschung. Im Sonneberger Raum wird Itzgründisch gesprochen, ein mainfränkischer Dialekt, der Sprachforschern noch heute ein ergiebiges Betätigungsfeld bietet.
1857 erhielt August Schleicher das Angebot als Professor an die philosophische Fakultät der Universität in Jena zu wechseln und verband damit große Hoffnungen für seine wissenschaftliche Arbeit. Die Enttäuschung war groß, als er in Jena auf eine konservative Professorenschaft stieß und mit seinen wissenschaftlichen und politischen Ansichten ein Außenseiterdasein führte. Ab 1863 entwickelte sich zwischen ihm und Ernst Haeckel eine kongeniale Freundschaft. Mit ihm war es möglich die evolutionstheoretischen und naturwissenschaftlichen Fragen zu diskutieren, die ihn als Sprachforscher beschäftigten. Er arbeitete an drei größeren Werken: Die vergleichende Grammatik der slawischen Sprachen, Die vergleichende Grammatik der baltischen Sprachen und Die Grammatik der slawo-baltischen Ursprache. Sein früher Tod 1868 durchkreuzte diese Vorhaben und trug dazu bei, dass er in der deutschen Sprachwissenschaft in einer Außenseiterrolle verhaftet blieb.
August Schleicher starb an Tuberkulose, deren Symptome wahrscheinlich schon zur Studentenzeit auftraten. Den Therapievorschlägen seines Vaters folgend begegnete er der drohenden Schwindsucht mit gesunder Lebensweise. In Bonn hatte er mit dem Turnen begonnen und übte diesen Sport auch später noch zusammen mit Ernst Haeckel aus. Außerdem suchte er regelmäßig Erholung in der gesunden Waldluft seiner Heimatstadt Sonneberg. Nach seinem Tod errichtete ihm die Stadt Sonneberg einen Gedenkstein und gab der Schleicherstraße seinen Namen.
Leben
Bibliografie
Literaturverweise
Weblinks