Aufmerksamkeit als Wahrnehmung (Philosophie)
Aufmerksamkeit als Wahrnehmung bezeichnet die komplexen Zusammenhänge, wie Momente der Aufmerksamkeit stufenweise zum Gedächtnisinhalt werden können.
Als Wahrnehmungen werden Sinnesmeldungen zusammen mit Gedächtnisinhalten über frühere Erfahrungen im Gehirn verarbeitet, eingeordnet und gespeichert. Perzeptionserleben, Erkennen und Erinnern sind subjektive Repräsentationen von Integrationsprodukten der Nachrichtenverarbeitung. Die bisherige Unterscheidung von "Empfinden" und "Wahrnehmen" für elementare und komplexe Sinneserlebnisse erscheint nach Jung(1) nicht mehr zweckmäßig, da eine scharfe Trennung nicht ausführbar sei. Wahrnehmung wird daher heute als übergeordneter Begriff aller subjektiven Sinneserlebnisse verwendet, die auch einzelne Empfindungen einschließen.
In jedem Wahrnehmungsprozess ist die Klassifizierung verschiedener Objekte nach invarianten Merkmalen eingeschlossen. Auf der Basis der Invariantenbildung durch klassifikatorische Abstraktion (Zeichenverarbeitung im visuellen Cortex) und ihrer gedächtnismäßigen Repräsentation werden intersensorielle Transformationen von Wahrnehmungsinhalten realisiert.
Sinnesmeldungen verschiedener Modalität werden zu einheitlichen komplexen Abbildungen der objektiven Realität zusammengefasst und ins semantische Gedächtnis eingeordnet. Die multisensorische Nachrichtenverarbeitung und ihre Einordnung in frühere Abbildzusammenhänge hat für die Wiedererkennung eine große Bedeutung. Der erwachsene Mensch erkennt einen anderen Menschen nicht nur visuell an seinem Gesicht oder akustisch an seiner Stimme, sondern auch an seinem Gang, seiner Gestik, Mimik, an seinem Geruch und anderem wieder.
Die Abhängigkeit des "Schwellenwertes" für den Wiederauffindungs- und damit Wiedererkennungsprozess ist von der "Reproduktionsgüte" der multisensorischen Integration, von ihrem Umfang und ihrer Abbildungstreue abhängig. Psychologisch handelt es sich hierbei um die aktive Aufmerksamkeitseinstellung, eine kontextreiche Abbildung reaktivierender Kontextsignale. Physiologisch ist für den Wiederauffindungsprozess ein zur Einspeichersituation analoges Erregungsmuster wichtig. Bei veränderten Erregunsgzuständen ist die Wiedergabe gestört.
Neurophysiologische Korrelate der aktiven Aufmerksamkeitszuwendung sind die Selektionsmechanismen und die multisensorische Konvergenz an kortikalen Neuronen, objektivierbar anhand konvergierender Reizantworten (so genannte evozierte Potentiale) bei Reizung verschiedener Sinnesbahnen. Dabei lässt sich der Zusammenhang aktiver motorischer Informationsaufnahme und sensorischer Verarbeitungsbereitschaft am Aktivitätszustand einer Zelle demonstrieren(Hubel(2)).
Im primären Hörfeld einer Katze gibt es Neuronen, die nur dann aktiv(feuern) sind, wenn sich das Tier einem Reiz aufmerksam zuwendet. Aus zahlreichen Untersuchungen geht hervor, dass charakteristische Komponenten des evozierten Potentials nicht nur von den Objekteigenschaften bestimmt werden, sondern auch vom (subjektiven) Aufmerksamkeitszustand abhängen.
Außer den primären, sekundären und tertiären Sinnesfeldern erhalten die Assoziationsfelder und sogar der motorische Cortex Meldungen von verschiedenen Sinnesorganen. Selbst in den spezifischen Projektionsfeldern, die früher als monomodal angesehen wurden, können viele Neuronen auch durch andere Sinnesafferenzen moduliert werden, zum Beispiel in der Sehrinde durch akustische und Schmerzreize.
Die Untersuchungen neuronaler Konvergenz wird dadurch kompliziert, dass bei wiederholten Reizungen die Bahnungen, Habituationen (das heißt die Gewöhnungshemmung als Dämpfung) und multisensorische Lernvorgänge nach Art der bedingten Verknüpfung bei den Neuronen auftreten. Die Einheit der multisensorischen Sinneswahrnehmungen und des Erkennens, die immer Gedächtnisinformation einbeziehen, ist eine Leistung des ganzen Gehirns, das die selektiven Übertragungsfunktionen (Verstärkungen und Abblendungen) sensorischer Kanäle und ihre zentrale Nachrichtenverarbeitung integriert(Jung (1)).
Es konnte gezeigt werden, dass durch den Selektionsprozess unbedeutsame sensorische Erregungen auf peripherem Niveau vorgefiltert und kontrastiert, aber nicht vollständig abgedrosselt werden. Trotzdem können affektive bedeutsame Inhalte oder der eigene Name über den abgeblendeten Erregungskanal wahrgenommen werden, was zeigt, dass die Informationsanalyse auf höchster sprachlicher Ebene erfolgt und nach Erregung von Gedächtnis- beziehungsweise Erkennungsstrukturen eine Verstärkung stattfindet.
Irrelevante Erregungen werden durch Erkennunsstrukturen nicht weiter verstärkt, sondern aktiv unterdrückt und gelangen daher nicht ins Bewusstsein. Die motivationsabhängige aktive und selektive (Aufmerksamkeits-) Zuwendung und Antizipation sowie der biologisch und erfahrungsabhängige Bedeutungscharakter der Sinnesmeldungen bestimmen die Verarbeitungsleistungen (Habituation, Orientierung und kognitive Analyse).
Unter einem regelungstheoretischen und evolutiven Gesichtspunkt der homöostatischen Anpassung des Organismus-Umwelt-Systems ist die explorativ gesteuerte selektive Informationsaufnahme ein Abgleichvorgang zwischen internem Modell und der Außenwelt, und die Wahrnehmung ist eine aktive Abgleichreaktion des Oragnismus in sensoriecher Reizung. Diese Betrachtung ist vereinbar mit den Prozessen, dass die Aufmerksamkeit sowohl von kollativen Reizeigenschaften (Neuheit, Komplexität, Variabilität, Ambiguität) und von motivationalen Prozessen gesteuert wird.
Während kollative Signaleigenschaften und ein bestimmtes Interesse (Neugier, Explorationsantrieb) die Aufmerksamkeit erhöhen, wird sie durch Habituation (Gewöhnung) und kognitive Assimilation der Sitiuationsmerkmale ins interne Modell reduziert, wodurch sich im homöostatischen Zustand ein aufnahmebereites Aktivitätsniveau einreguliert (das heißt eine ontogenetische Anpassung auf der Grundlage stammesgeschichlicher Anpassung). Zur begrifflichen Abgrenzung von Wahrnehmung und Empfindung
Zum Wahrnehmungsprozess und Wiedererkennungsprozess
Zur neuronalen Struktur bei der Nachrichtenverarbeitung
Zur multisensorischen Verarbeitung der Sinnesreizungen
Zum Selektionsprozess von bedeutsamen und unbedeutsamen Nachrichten
Zum integrativen Ablaufprozess der verschiedenen Komponenten bei der selektiven Informationsaufnahme