Argentinische Rock- und Popmusik
Die argentinische Rock- und Popmusik-Szene ist vielfältig und hat trotz unverkennbarer Wurzeln in der spanischen Popmusik ihren eigenen Charakter.
Table of contents |
2 Explosion und Unterdrückung (1970-1983) 3 Zweite Blütezeit (1983-1990) 4 Neue Einflüsse (1990-1997) 5 Latin-Revolution und Stagnation (1997-2004) |
Die argentinische Pop-Szene hatte ihre Anfänge in den späten 50er Jahren, als mehrere lokale Interpreten die Hits der Rock and Roll-Bewegung der USA kopierten (z.B. Mister Roll y sus Rockers, Sandro). Wie in vielen anderen Ländern auch konnte sich die Bewegung erst Ende der 60er Jahre von den Vorbildern aus der angelsächsischen Szene lösen.
Mehr noch als in anderen Ländern war die Szene hier ein offener Protest gegen die etablierte Ordnung, vor allem gegen die Militärdiktatur von Onganía und seinen Nachfolgern (1966-73). Es bildete sich schnell eine Hippie-Bewegung, deren Idole die Band Los Gatos wurde. Bekannte Hippie-Kommunen gab es in isolierten Gebieten des Landes, wie El Bolsón in Patagonien, sowie San Marcos Sierras und der Playa de los Hippies in der Provinz Córdoba, wo die Jugend ihren Idealen nachging, ohne von der Staatsgewalt verfolgt zu werden.
Anfang der 70er Jahre, in den letzten Jahren der Militärdiktatur, traten in der immer konsolidierteren lokalen Rockszene die Persönlichkeiten auf, die sie bis heute prägen sollten: Charly Garcia, Luis Alberto Spinetta, Leon Gieco und Fito Páez. Obwohl sie alle stilistisch zum typischen 70er-Sound zuzuordnen sind, haben sie doch alle eigene Elemente. So integrierte Leon Gieco Klänge aus der lokalen Folklore, während Charly Garcia und Fito Páez eher Glamrock mit Blues-Einflüssen machten.
Eine kurze Blütezeit erlebte die lokale Rockszene in der demokratischen Phase zwischen 1973 und 1976, bis die nächste, weit repressivere Militärdiktatur dem ein Ende machte. In der Regierungszeit der Miltärdiktatur unter Jorge Rafael Videla und seinen Nachfolgern Viola und Galtieri waren alle grösseren Rockkonzerte untersagt, veröffentlichte Titel unterlagen der Zensur. Viele Rockbands gingen zu dieser Zeit ins Exil oder legten eine Schaffenspause ein. So stachen Anfang der 80er Jahre hauptsächlich leicht verdauliche Discogruppen hervor, wie Los Abuelos de la Nada.
Die 80er Jahre brachten nach der Rückkehr der Demokratie mehrere Bands hervor, die bis heute die Charts Argentiniens beherrschen und Fussballstadien füllen. Zunächst ist hier die Band Sumo zu nennen, die eine Mischung aus Bluesrock und Reggae machte und deren Klang zum Grundstein des Rock Nacional wurde. Diese Band teilte sich Mitte der 80er auf in Los Divididos und Las Pelotas. Weiterhin machte ein Projekt von Charly Garcia namens Seru Giran zu dieser Zeit von sich reden, das den Glamrock/Wave-Stil ihres Frontmanns modernisierte.
Die zweite Hälfte der 80er Jahre wurden zur Blütezeit des argentinischen Reggae. Neue Bands wie Los Pericos mixten den Reggae mit lateinamerikanischen Musikstilen. Die prägendsten Bands dieser Epoche waren aber wohl die verfeindeten Soda Stereo und Los Redondos mit ruhigem Gitarrenrock mit poetischen Texten.
In den Provinzen Entre Rios, Santa Fe und Cordoba konnte man währenddessen ein Phänomen beobachten, das fernab von der nationalen Chartszene hauptsächlich in der Arbeiterklasse der Landstädte stattfand. Dort wurde die Musica Tropical (Cumbia und Cuarteto) immer populärer, was sich später auch auf die Musikszene von Buenos Aires auswirken sollte.
Zu Beginn der 90er Jahre liess das in Europa aufflammende Techno- und Hip Hop-Fieber Argentinien erst einmal noch unberührt. Stattdessen bauten die argentinischen Bands lieber an Fusionen aus Rock, lateinamerikanischer Musik und Reggae. In dieser Phase entstanden die progressiven Reggaebands Karamelo Santo und Todos tus Muertos mit sehr phantasievollen Arrangements, sowie die Elektro-Rocker Babasonicos und die Latin-Fusion-Band Bersuit Vergarabat.
Gegen 1994/95 wurde Argentinien aber dann doch von der Popmusik-Moderne erobert. Ilya Kuryaki bauten einen eigenen Stil zwischen Funk, Hip Hop und Crossover-NuMetal, und in der neuen Techno-Szene stieg zunächst der kommerzielle DJ Dero zum Star auf, ehe die progressiveren Urban Groove (Techno), Hernan Cattaneo (Trance) und Diego Ro-K (Drum and Bass) nachzogen, inzwischen international gefragte DJs und Produzenten.
Im Sommer 1996/97 wurde die Popszene von der Cumbia Romantica-Bewegung erschüttert. Cumbia sowie das Cuarteto aus der Millionenstadt Cordoba dominierten bald uneingeschränkt in den Diskotheken des ganzen Landes, selbst der damit verbundene Paartanz wurde wieder "in". Das hatte zur Folge, dass die Plattenverkäufe vieler traditioneller Rockbands zurückgingen. Bekannte Bands und Interpreten dieser Bewegung waren Rafaga, Amar Azul, Los Sultanes, La Barra, Rodrigo Bueno und La Cumbia, viele davon Boygroups ohne besonderes musikalisches Talent. Die Rockszene dagegen stagnierte, am meisten verkauften nach wie vor die "Altrocker" aus den 70er und 80er Jahren. Einige der traditionellen Rockbands wie Bersuit Vergarabat und Kapanga stiegen auf den Latino-Trend auf und mischten Cumbia und Cuarteto mit rockigen Einflüssen, andere wie Los Redondos starteten eine Gegenkampagne mit hartem Rock.
1999 wurde die Cumbia Romantica von der Cumbia Villera mit härteren Texten und elektronischen Einflüssen abgelöst. Gleichzeitig explodierte die Techno- und House-Szene, die sich bis dorthin fast ausschliesslich auf Buenos Aires, Cordoba und Rosario konzentriert hatte. In den folgenden Jahren gab es einen neuen Aufbruch im Underground Argentiniens. Neue Einflüsse kamen von Miranda und Adicta mit tanzbarem Electro-Future-Pop, der experimentellen Electro-Drum n Bass-Popband Zort, dem Trip Hop und Drum and Bass - Projekt Altocamet sowie den elektronischen Tango-Interpreten von Bajo Fondo. Keine dieser Bands konnte zwar bisher in vordere Chartpositionen vorstossen, doch sie sind heute national und einige sogar international bekannt und ihre Einflüsse findet man auch in der Musik der traditionellen Rockbands wie Las Pelotas.Die Anfänge (1955-1970)
Explosion und Unterdrückung (1970-1983)
Zweite Blütezeit (1983-1990)
Neue Einflüsse (1990-1997)
Latin-Revolution und Stagnation (1997-2004)