Anfahrzugkraft
Als Anfahrzugkraft wird für Triebfahrzeuge und Zugfahrzeuge die höchstmögliche Zugkraft bei Fahrbeginn aus dem Stillstand heraus bezeichnet. Im Stillstand von Radfahrzeugen ist eine Reibungskraft („Losbrechzugkraft“). wirksam, die höher ist, als der Rollwiderstand im Moment der Rad-Drehung.Bei Dampflokomotiven und Elektrolokomotiven ist die Anfahrzugkraft bereits physikalisch bedingt höher als die Zugkraft bei zunehmender Geschwindigkeit. Bei Verbrennungskraftfahrzeugen ist die Anfahrzugkraft von der Getriebe-Auslegung abhängig.
Für die Anfahrzugkraft ist nicht nur die Motorleistung ausschlaggebend, sondern auch das auf den Antriebsrädern lastende Gewicht (“Reibungsgewicht“) und die Reibungswerte von Rad und Fahrbahn.
Solange die Zugkraft bei Eisenbahn-Lokomotiven die durch die maximale Schienenbelastung und die Material-Reibungskoeffizienten vorgegebenen Reibungskräfte nicht überschreitet, ist die Anfahrzugkraft als "nach oben offene" Größe stets von besonderem Interesse.
Die modernen Lokomotiven haben inzwischen Motorleistungen, die höhere Anfahrzugkräfte als bisher zuließen. Tatsächlich ist aber für diese 4-achsigen Lokomotiven mit allachsigem Antrieb bei einer zulässigen Achslast von 21 Tonnen (Höchstwert bei der Deutschen Bahn) die Zugkraft-Obergrenze physikalisch bedingt bei etwa 300 kN (entspricht dem früher gebräuchlichen Wert von 30 Tonnen). Bei einer Steigerung der Motorleistung an diesem Punkt drehen die Räder durch, die Leistung kann nicht „auf die Schiene“ gebracht werden. Eine Erhöhung der Anfahrzugkraft bei entsprechender Motorleistung ist möglich, wenn beispielsweise die Zahl der angetriebenen Räder und damit das Reibungsgewicht erhöht wird. Dies wurde beispielsweise bei der zugstärksten europäischen Lokomotive, der dänischen EG 3100, durchgeführt. Die ansonsten mit der vierachsígen deutschen Elektrolokomotiv-Baureihe 152, der Siemens-Type ES64 F, auch in der Leistung identische EG 3100 kann mit sechs Antriebsachsen eine Zugkraft von 400 kN aufbringen. Die hohe Zugkraft dieser Lokomotive wird für die bis zu 2000 Tonnen schweren Güterzüge auf den 15,6-Promille-Steigungen im Großen-Belt-Tunnel zwischen Dänemark und Schweden gebraucht.
Da die Reibung zwischen Rad und Schiene auch von der Oberflächenbeschaffenheit der Schienen abhängt, und speziell bei Regen oder durch Laub stark herabgesetzt werden kann, ist es bei Lokomotiven üblich die Reibung mittes Sand zu verbessern. Dieser Lokstreusand (manchmal auch als Bremssand bezeichnet), kann beim Anfahren vor die Räder gestreut werden, um das Durchdrehen bei schlechten Witterungsbedingungen zu verhindern.