Alexej Nikolajewitsch Tolstoj
Alexej Nikolajewitsch Tolstoj (russisch Алексей Николаевич Толстой; * 16. Dezember/29. Dezember 1883 in Nikolajewsk - heute Pugatschow -; † 23. Februar 1945 in Moskau) war ein russischer Schriftsteller. Er verstand es, sich den Anforderungen der jeweiligen Zeit anzupassen und wandelte sich im Laufe seines Lebens vom Gegner der Oktoberrevolution zum ersten Repräsentanten der Sowjetliteratur. Er war ein entfernter Verwandter Lew Tolstojs und Ivan Turgenjews.Alexej Tolstoj wächst auf Sosnowka, dem Gut seines liberal gesinnten Stiefvaters (Alexej Apollonowitsch Bostrom), auf. 1901 geht er nach Sankt Petersburg um Mathematik zu studieren. Hier beginnt er Gedichte im Stil Nekrasows und Nadsons zu schreiben. 1907, kurz vor dem Abschluss, gibt er sein Studium auf, um sich ganz der Literatur zu widmen. 1908 erscheint unter dem Titel Hinter blauen Flüssen seine erste Gedichtsammlung. Seine ersten, im Stil des Neorealismus geschriebenen Prosawerke, die Erzählung Eine Woche in Turgenjew und die Romane Die Sonderlinge und Der hinkende Fürst werden von der Kritik positiv aufgenommen. Maxim Gorki wird auf ihn aufmerksam und nennt ihn einen "großen und kraftvollen Schriftsteller.
Während des 1. Weltkriegs ist Tolstoj als Kriegsberichterstatter in England und Frankreich unterwegs und schreibt Erzählungen und Skizzen über den Krieg (Auf dem Berg, Unter Wasser, Eine wundervolle Dame), beginnt aber auch Komödien fürs Theater zu schreiben.
Der Oktoberrevolution steht Tolstoj zunächst ablehnend gegenüber. Während des Bürgerkrieges arbeitet er in der Propagandaabteilung des "weißen" Generals Denikin. Dort schreibt er neben Pamphleten gegen den Kommunismus eines seiner berühmtesten Werke, die auch von skeptischen Literaturwissenschaftlern geachtete Povest Nikitas Kindheit. Aus dieser Geschichte einer sorglosen Kindheit auf einem russischen Landgut ist Tolstojs Heimweh nach Russland deutlich zu spüren.
1921 übersiedelt er nach Berlin. Dort schließt er sich der Smena-Wech-Bewegung an, einer Gruppe russischer Nationalisten, die bereit waren, die Oktoberrevolution zu akzeptieren. In der sowjetfreundlichen Zeitschrift Nakanune (Am Vorabend) veröffentlicht er einen berühmten Brief, der von offizieller Seite begeistert aufgenommen wird und zum Bruch mit den russischen Emigranten führt.
1923 kehrt er nach Russland zurück, wo man anerkannte Schriftsteller, die sich zur Sowjetunion bekennen, gerne aufnimmt. Anfänglich hält er noch Distanz zum sowjetischen Regime und wendet sich dem unverfänglicheren Genre der Science-Fiction zu. Aus dieser Zeit stammen der von H. G. Wells beeinflusste Roman Aelita, sowie Das Geheimnis der infraroten Strahlen. Die Romantriologie Der Leidensweg (1920-1941), in der am Beispiel einer Intellektuellenfamilie ein Panorama der russischen Gesellschaft vor, während und nach der Revolution gezeichnet wird, ist schon eindeutig der sozialistischen Tendenzliteratur zuzurechnen. Ebenso die Povest Brot, in der er durch die Verherrlichung von Stalins Rolle bei der Verteidigung der Stadt Zarizyn zu Geschichtsfälschung und Legendenbildung beiträgt.
Nicht so eindeutig tendenziös ist der von der Literaturkritik oft als Tolstojs Hauptwerk anerkannte Roman Peter der Große (1929-1945), für den er schon vor seiner ideologischen Wende zu recherchieren begonnen hat und in dem er ein breites und überzeugendes Bild der russischen Gesellschaft zur Zeit Peters des Großen zeichnet.
1936 stirbt Maxim Gorki und Alexej Tolstoj löst seinen Freund als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes und führende Figur der offiziellen Sowjetliteratur ab.
Während des Großen Vaterländischen Krieges trägt Tolstoj zur Rechtfertigung von Stalins Grausamkeiten bei, indem er Iwan den Schrecklichen als weisen Landesvater darstellt, der nur im Interesse seines Volkes Opfer bringen lässt. Der Vergleich mit Stalin liegt nahe.