Alexander Agricola
Alexander Agricola (Ackerman) (* Sommer 1446 in Gent; † 15.8.1506 in der Nähe von Valladolid) war ein Komponist, Sänger und Instrumentalist.Leben
Alexander Agricola wurde als unehelicher Sohn des begüterten Heinric Acherman und dessen späterer, 1499 verstorbenen Ehefrau Lijsbette Naps, einer reichen und erfolgreichen Geschäftsfrau, geboren. Er hatte mindestens einen jüngeren Bruder, Johann, der 1486-1493 und 1496 als Sänger bei der Lieve Vrowe Broederschap in ’s-Hertogenbosch tätig war.
Wahrscheinlich waren Alexander und Johann bis zu ihrem Stimmbruch Chorknaben an einer Genter Kirche, vielleicht an Sint Nikolas, der Lijsbette Naps in den 1450er Jahren größere Geldbeträge zukommen ließ.
Von 1470 bis etwa 1474 wirkte Agricola als Kollege von Gaspar van Weerbecke, Johannes Martini und Loyset Compère in der Kapelle des Mailänder Herzogs Galeazzo Maria Sforza. Mitte 1474 zog Agricola und seine Familie (er hatte 1470 in Florenz geheiratet), mit einem Schutzbrief des Herzogs versehen, in die Niederlande; am 7. Juli 1474 schrieb Agricola dem Mailänder Herzog aus Florenz einen Brief.
Im März 1476 ist Agricola für kurze Zeit in Cambrai als Horensänger nachzuweisen. Ob es sich bei dem Organisten ‘Alexander’, der 1477 in Utrecht erwähnt wird, um Agricola gehandelt hat, muß dahingestellt bleiben. Fest steht jedoch, dass er nicht nur wegen seiner Gesangskunst sondern auch wegen seines virituosen Spiels berühmt war.
Für die Zeit vom 1476 bis 1491 ist nichts bekannt. Man kann nur vermuten, dass sich Agricolas in dieser Zeit auch in Deutschland oder Österreich aufgehalten hat: darauf deuten die ausnahmslos deutsche Überlieferung einiger früher Werke Agricolas und dessen Benutzung deutscher Choraltraditionen. Beweiskräftige Dokumente fehlen bislang.
Zumindest Anfang der 1490er Jahre aber war Agricola Mitglied der Hofkapelle des französischen Königs Charles VIII. Agricolas bedeutendste Kollege war hier Johannes Ockeghem. Doch 1491 hat Agricola die Kapelle ohne Erlaubnis des Königs verlassen und sich nach Italien begeben.
Im September 1491 war Agricola, vom Sänger Charles de Launoy, dem späteren Schwager Heinrich Isaacs begleitet, in Mantua. Doch schon nach kurzer Zeit setzten sich beide, wiederum ohne Erlaubnis, nach Florenz ab, wobei Charles de Launoy im Gepäck ein wertvolles Buch der Isabella d’Este hatte, dessen Verlust sie schließlich bemerkte und das sie erst durch Vermittlung des ferraresischen Gesandten in Florenz sowie Piero de’ Medici zurückgewann.
In Florenz wurde Agricola, protegiert von Piero de’ Medici, am 1. Oktober 1491 Sänger am Florentiner Dom und damit ein Kollege Heinrich Isaacs. Agricola behielt dieses Amt bis zum 30. April 1492 inne.
Anfang Mai 1492 verließ er Florenz, alarmiert von einem Brief des französischen Königs an Piero de’ Medici, worin die dringende Bitte geäußert wurde, Agricola möge sofort nach Frankreich zurückkehren. Doch Agricola gehorchte nicht, sondern ging nach Neapel an den Hof Ferdinands I (1458-1494), wo er Mitte Mai für etwa 4 Wochen Aufnahme fand. Der französische König drang weiter auf Agricolas Rückkehr, und da es Ferdinand aus politischen Gründen nicht opportun erschien, sich dem König entgegenzustehen, ließ er Agricola trotz großer Bewunderung für dessen Gesangkunst im Juni 1492 ziehen. Kürzere Aufenthalten in Rom und Florenz einlegend, kehrte Agricola nach Frankreich zurück und trat dort noch im selben Jahr seinen Dienst an.
Doch lange scheint Agricola auch diesmal nicht in Frankreich geblieben zu sein. Denn aus Briefen geht hervor, dass er und Johannes Ghiselin sich bereits im Februar und März 1494 wieder in Neapel am Hof Alfons II, der seit Anfang des Jahres regierte, aufgehalten haben. Zu einer Anstellung ist es jedoch aus diesmal nicht gekommen.
Wahrscheinlich kehrte Agricola wieder nach Frankreich in sein altes Amt zurück, wenigstens bis zum Tod Charles VIII 1498 dürfte dies der Fall gewesen sein.
Am 6. August 1500 wurde Agricola Cantor in der Kapelle Philipps des Schönen. Dieser Kapelle, damals wohl das führende Ensemble Europas, gehörten Pierre de la Rue und Nicholas Champion (Clais le Liegeois) an. Die bevorzugte Stellung, die Agricola auch hier einnahm, erhellt u.a. aus dem Umstand, dass er 1501 als Präbendar in Gorkum (heute Gorinchem) und Valenciennes verzeichnet wird.
Die Hofkapelle hat den Herzog auf dessen Reisen immer begleitet, denn damals waren die Treffen der Herrscher oder deren Einzüge in die Städte auch musikalische Großereignisse. Man darf also davon ausgehen, dass Agricola sich im Gefolge des Herzogs befand, als dieser im November 1500 nach Luxemburg reiste, und er auch dessen erste Spanienreise vom 4. November 1501 bis zum 8. November 1503 mitgemacht hat.
Höhepunkte dieser Reise waren der Einzug in Paris am 25. November 1501 (wozu wahrscheinlich Loyset Compères Motette “Gaude prole regia“ erklang); im Mai 1502 die Begrüßung des Herzogspaares durch Ferdinand von Aragonien und Isabella von Kastillien in Toledo; Besuche in Madrid, Guadalajara, Siguenza; im Februar 1503 die Begegnung mit den Mauren von Saragossa und den Mysterienspielen von Perpignan; im März 1503 das Treffen mit dem französischen König in Lyon; und am 11. April 1503 die Begegnung Philipps mit seiner Schwester Margarete von Savoyen. Anschließend ging die Reise weiter nach Deutschland, wo Philipp seinen Vater Maximilian am 13.September 1503 in Seefeld traf.
Die zweite Spanienreise des Herzogs, an der Agricola mit Sicherheit teilgenommen hat, begann am 10. Januar 1506. Die Reise wurde auf dem Wasserwege unternommen, die Sänger und Instrumentalisten hatten ein eigenes Schiff. Am 13. Januar 1506 trieb ein Sturm einen Teil der Flotte, auch das Schiff der Musiker, nach Falmouth. Am 27. April 1506 landete die Flotte in La Coruña. Philipp und sein Gefolge zogen für den Sommer nach Valladolid und später nach Burgos, wo er unter traurigen Zuständen einem Fieber erlag. Auch Agricola starb, gerade 60 Jahre alt geworden, vor den Toren Valladolids.
Werke
- Messen
- Fragmenta missarum
- Hymnen, Lamentationes, Magnificat
- Motetten
- Motetten-Chansons
- Werke zweifelhafter Echtheit
- Lieder mit französischem Text
- Lieder mit flämischem Text
- Lieder mit italienischem Text
- Instrumentalmusik