Adivasi
Adivasi ist die Selbstbezeichnung der Ureinwohner (indigene Bevölkerung) von Indien. Das Wort Adivasi bedeutet "erste Menschen" bzw. "erste Siedler". Sie werden oft auch als "tribals" ("Stammesvölker") bezeichnet, insofern sie traditionell in Kleingesellschaften organisiert leben. Sie wurden jedoch im Laufe der Geschichte von den indoarischen Invasoren immer mehr von ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten verdrängt und mit ihrem Lebensraum auch großteils um ihre Lebensgrundlage gebracht. Ihr Anteil an der indischen Bevölkerung beträgt ca. 7% (= 70.000.000). Der im Jahre 2000 aus dem Bundesstaat Bihar ausgegründete Bundesstaat Jharkhand beherbergt heute die größte Bevölkerungsgruppe der Adivasi.Adivasi sind keine homogene Bevölkerungsgruppe, sondern fühlen sich bestimmten Stämmen zugehörig. Die größten Stammesgruppen sind die Koli und Bhil im Westen, die Gond, Khond, Savara, Gadaba in Zentralindien, Dafla, Naga, Khasi, Garo im Nordosten, Oraon, Munda, Ho, Onge, Santhal im Osten und die Chenchu, Sholega, Toda Kota, Irula Kurumba und Kadar im Süden Indiens. Die in den Dörfern lebenden Adivasi teilen eine Tradition, die von der starken Verbindung zur Natur und zum eigenen Land, einer ganzheitlichen und das gesamte Leben durchdringenden Naturreligion, traditionellen Tänzen, Musik und Festen in der Dorfgemeinschaft getragen wird ( mehr Musik von südindischen Adivasi gibt es hier).Die wesentlichen Merkmale der Religion der Adivasi bestehen in der Verbundenheit zur eigenen Heimat, dem eigenen Familienclan und dem eigenen Land, der Erkenntnis, der Mensch sei Teil der Natur und umgeben von den Geistern der Ahnen und Dämonen, die wiederum in Pflanzen, Tieren und bestimmten Orten leben. Die oberste und mächtigste Macht in dieser Geisterwelt ist Singbonga, der in den Schöpfungsmythen der Adivasi einst die Welt erschuf.
Die meisten Adivasigemeinschaften sind nachwievor im Ackerbau, Viehhaltung und Handwerk tätig und dies meist nur zur eigenen Versorgung (Subsistenz). Das eigene und oft gemeinschaftlich bewirtschaftete Land bildet daher für die Adivasigemeinschaften die historische Existenzgrundlage.
Mit den Kastenlosen (Dalits) gehören die Adivasi zu den ärmsten Menschen in Indien. Ca. 10 Millionen Adivasi leben in städtischen Slums, ca. 90 % unter der Armutsgrenze. Als Nicht-Hindus werden sie neben den Dalits in der indischen Gesellschaft trotz gegenteiliger Gesetze (als "scheduled tribes" räumt ihnen die ind. Verfassung Minderheitenrechte ein) nach wie vor als Outcasts benachteiligt. Nach wie vor sind sie Opfer von Ausbeutung und Unterdrückung: Staatsbeamte benachteiligen sie. Großgrundbesitzer und Geldverleiher nutzen Armut und praktische Rechtslosigkeit der Adivasi skrupellos aus. Ureinwohner finden schwerer Arbeit, sind schlechter ausgebildet und besitzen nur selten Land. In Krankenhäusern werden sie abgewiesen etc. ...
Das anhaltende Wirtschaftswachstum Indiens drängt die Ureinwohner derzeit weiter an den Rand. Im Zuge von Großprojekten, Erschließung von Industriestandorten und Tourismusregionen werden Adivasi beim Bau von Staudämmen, bei der Erschließung von Rohstoffen, Ansiedlung von Schwerindustrie, Straßenbau oder für Natur- und Freizeitparks großflächig umgesiedelt oder gar vertrieben. Die Beteiligung Deutschlands beim Bau der Hüttenwerke in Rourkuela ab 1958, bei dem ca. 16.000 Adivasi vertrieben wurden, ist bis heute umstritten. Beim noch andauernden Bau des Sardar Sarovar Staudammes im Narmada Tal im Bundesstaat Gujarat, bei dem ca. 110.000 Adivasi zwangs-umgesiedelt werden und erhebliche Mängel bei der Umsiedlung auftraten, haben internationale Geldgeber daher ihre Beteiligung unter andauerndem öffentlichem Druck zurückgezogen.
Um die Lebenssituation der Adivasi zu verbessern, wurden von der indischen Regierung zum einen Schutzgesetze erlassen, zum anderen zahlreiche spezifische Programme und Projekte durchgeführt. Doch weder die Gesetze - etwa das Verbot der Übertragung von Adivasi-Land an Nicht-Adivasi, Landreformen, das Verbot der Schuldknechtschaft oder von Alkoholhandel in Adivasi-Gebieten - noch die Programme und Projekte zur Infrastrukturentwicklung, Gesundheitsförderung, Armutsbekämpfung konnten ihre Lage nachhaltig verbessern, denn sie blieben lückenhaft, wurden kaum umgesetzt oder gehen an der Lebenswirklichkeit der Adivasi vorbei.
In den Adivasi-Gebieten arbeiten auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGO's). Sie bieten soziale Dienstleistungen an, engagieren sich u.a. für Bildung, Infrastrukturentwicklung, Bewusstseinsbildung oder Umweltschutz und unterstützen die zunehmend gruppenübergreifenden Allianzen und Organisationen, Frauenorganisationen und Selbsthilfegruppen, in denen die Adivasi selbst für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen kämpfen. Ein sehr erfolgreiches solches Selbsthilfeprojekt ist ACCORD/AMS in Südindien. Mehr Informationen, auch zu Unterstützungsmöglichkeiten, gibt es über deren deutsche Partnerorganisation, das Adivasi-Tee-Projekt. Unterstützung erfahren sie auch durch die Schülerfirma Chameleon, die den qualitativ hochwertigen Tee (Nilgiris-Tee) von der Teeplantage der Adivasi-Kooperative verkauft.
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