Émile Michel Cioran
Émile Michel Cioran; (* 8. April 1911 in Rasinari neben Sibiu (Hermannstadt) im ungarischen Teil der Habsburgermonarchie, heute Rumänien; † 20. Juni 1995 in Paris) war ein Philosoph.Er zählt zu den bedeutensten Essayisten und radikalsten Kulturkritikern der Nachkriegszeit. Hervorragender Stilist, der mit seinen pessimistischen und desillusionierenden Aphorismen und Essays unter den Existenzialisten Frankreichs Aufsehen erregte.
Table of contents |
2 Rezension 3 Originalzitate 4 Werke (Auswahl) 5 Literatur 6 Weblinks |
Leben
E.M. Cioran war das zweite Kind des orthodoxen Priesters und späteren Erzbischofs von Sibiu Emilian Cioran und seiner Frau Elvira Comaniciu. Schon während seiner Zeit als Schüler am Gymnasium in Sibiu (1920-1928) wird Cioran von anhaltender, zermürbender Schlaflosigkeit geplagt, die einerseits in ihm, in Zusammenhang mit einem allgemeinen Unbehagen am Dasein, die Obsession des Todes auslöst, ihn andererseits quasi ekstatische Zustände erleben läßt.
Ab 1926 beginnt C. mit seiner ersten Phase intensiver philosophischer Lektüre und nimmt 1928 sein Studium der Ästhetik und Philosophie an der Universität Bukarest auf. Seine Schwerpunkte sind Kant, Johann Gottlieb Fichte, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Simmel, Wölfflin, Husserl, Martin Heidegger, die russischen Spiritualisten und die orientalischen Mystiker.
C.s Lehrer sind Tudor Vianu (1898- 1964), Professor für Ästhetik und Literaturwissenschaft und eine der bedeutendsten rumänischen Persönlichkeiten auf diesem Gebiet, sowie Nae Ionescu (1890-1940), Professor für Logik und Metaphysik, der mit seiner Philosophie des Erlebens einen Großteil der Generation C.s beeinflusst hat. Mit einer Diplomarbeit über den »Intuitionismus« Henri Bergsons beendet C. 1932 sein Studium.
1931-1933 nimmt er intensiv am kulturellenen und intellektuellenen Leben in Bukarest Teil und veröffentlicht seine ersten Werke. In dieser Zeit beginnt auch seine Freundschaft mit Mircea Eliade. Als Humboldtstipendiat setzt er 1933-1935 seine Philosophiestudien in Berlin, Dresden und München fort.
1934 wird C.s Erstlingswerk »Pe culmile disperrii« (Auf den Gipfeln der Verzweiflung) der Preis junger rumänischer Schriftsteller verliehen. 1936 arbeitet er als Lehrer für Philosophie am Gymnasium in Kronstadt, wonach er 1937 als Stipendiat des Bukarester Institut français nach Paris geht, um eine Dissertation über Nietzsches Ethik zu schreiben.
Zwischen 1939-1941 erfolgen weitere Studienaufenthalte in Berlin. Die geplante Dissertation nimmt C. niemals in Angriff; dafür veröffentlicht er bis 1944 weitere fünf Bücher in rumänischer Sprache. - Als nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rückkehr nach Rumänien für C. nicht mehr in Frage kommt, entschließt er sich, in Frankreich zu bleiben, wo er, nachdem 1945 sein Stipendium zu Ende geht, in sehr ärmlichen Verhältnissen lebt. Um seine Integration in die neue Umgebung zu beschleunigen, entschließt er sich, fortan in französischer Sprache zu schreiben. Bereits seinem ersten, 1949 bei Gallimard erscheinenden, französischen Werk »Précis de décomposition« (Lehre vom Zerfall), das sich entschieden gegen Aufklärung und Rationalismus wendet, wird ein Jahr später der »Prix Rivarol« verliehen.
Von nun an lehnt C. alle Auszeichnungen ab, die ihm zuerkannt werden, so 1960 den »Prix combat«, 1977 den »Prix Roger Nimier« und 1988 die von der Französischen Akademie angebotene höchstdotierte Auszeichnung, den »Grand Prix Morand«. Seinen Werken gebühre kein Beifall, meint C. Da sie allesamt Werke der Negation seien, negiere auch er selbst jede Auszeichnung. Von 1960 bis zu seinem Tod lebt C. in einer Mansardenwohnung im Quartier Latin.
Äußerst unterschiedliche, kulturell divergierendee, ihrem Wesen nach jedoch miteinander verwandte philosophische Tendenzen prägen C.s Denken. Die spanische Mystik, das deutsche Mittelalter, die Widersprüchlichkeit des Pascalschenschen Menschen, die Verzweiflung Kierkegaards, Nietzsches Negativismus und Vitalismus, der russische Spiritualismus, die Endzeitstimmung eines Keyserling, Ludwig Klages oder Barrès, die Lebensphilosophie seines rumänischen Lehrers Nae Ionescu sind dabei nur die wichtigsten Einflüsse.
Indem er sich gegen jede Form von Systemen wendet, spricht er einem Individualismus das Wort, das erst im entgrenzten Erleben zu sich selbst findet. Auch wenn C.s Leben und Werk tiefe mystische Züge tragen, entscheidet er sich zwischen den zwei Möglichkeiten, der Verzweiflung angesichts der Erkenntnis philosophisch zu entkommen: der Mystik und dem Skeptizismus, für den letzteren. Dieser Schritt kommt für ihn einem »Erkennen ohne Hoffnung« gleich. Dabei richtet sich sein Skeptizismus nicht allein gegen Sprache, Philosophie, Geschichte und Religion, sondern in einem beinahe selbstzerstörerischen Duktus auch gegen sich selbst. Im Laufe der Jahre entwickelt sich C.s Philosophie auf eine stoische Position zu, deren Mittelpunkt die Beschäftigung mit dem von Leid, Tod und dem Bösen geprägten Dasein des Menschen bildet. Aufgrund seiner Ideen und seiner eigenwilligen Persönlichkeit kann C. als bedeutendster Skeptiker und radikalster Kulturkritiker des 20. Jahrhunderts angesehen werden.
"Im grunde sind alle Ideen falsch und absurd. Es bleiben nur die Menschen, so wie sie sind ... ich bin von jeder Ideologie geheilt."
"In jedem Menschen schlummert ein Prophet: erwacht er, so gibt es ein klein wenig mehr des Übels in der Welt ".
"Um Alles bringt uns diese Welt mit ihren Fesseln und ihrer stickigen Luft: außer um die Freiheit, Hand an uns zu legen; und diese Freiheit flößt uns eine derartige Kraft und einen solchen Stolz ein, daß wir der Last, unter der wir stöhnen, schließlich Herr werden".
"Wir haben sämtliche Wahrheiten gegen uns. Aber wir setzen unser Leben fort, weil wir sie einfach hinnehmen und uns weigern, die nötigen Schlüsse zu ziehen".
"Meine Abkehr von der Philosophie geschah in dem Augenblick, da ich die Unmöglichkeit erkannte, bei Kant auch nur die geringste menschliche Schwäche, auch nur den leisesten Akzent wahrer Trauer zu entdecken".
Quelle: Lehre vom Zerfall
Rezension
Originalzitate
Werke (Auswahl)
Literatur
Weblinks